Brexit:Juncker sieht "problematische Punkte" in neuem Brexit-Vorschlag

Conservative Party annual conference in Manchester

Boris Johnson am Mittwoch bei seiner Parteitagsrede in Manchester.

(Foto: REUTERS)
  • Boris Johnson legt neuen Vorschlag für die Brexitverhandlungen vor. Im Zentrum steht der Streitpunkt der Grenze zwischen Irland und Großbritannien.
  • Der Premierminister will die Idee des Backstops komplett verwerfen und schlägt stattdessen eine komplizierte Regelung vor, die Zollkontrollen nötig machen würde - wenn auch nicht direkt an der Grenze.
  • Jean-Claude Juncker lobte den Versuch, einen Fortschritt zu erzielen, allerdings gebe es auch noch einige "problematische Punkte" darin, die noch etwas Arbeit benötigen.

Nach einem Telefonat zwischen Jean-Claude Juncker und dem britischen Premier, in dem Johnson einen neuen Brexit-Vorschlag darlegte, äußerte sich Juncker reserviert. In einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission heißt es, dass - obwohl man die Anstrengung, Fortschritte zu erzielen, willkommen heiße - es noch einige "problematische Punkte" in dem Vorschlag gebe, die noch etwas Arbeit benötigen.

Es seien jedoch Treffen der Verhandlungsteams beider Seiten geplant. Juncker habe Johnson bestätigt, dass die Kommission den vorgelegten Vorschlag für einen rechtlich verbindlichen Text unter den bekannten Gesichtspunkten der EU prüfen werde. "Wir wollen einen Deal", hieß es weiter. "Wir werden geeint bleiben und rund um die Uhr arbeiten, um dies zu erreichen - so wie wir es seit mehr als drei Jahren tun."

Inhaltlich geht es in Boris Johnsons neuen Vorschlag vor allem um die Grenze zwischen Irland und Großbritannien und etwaige Regelungen, wie harte Grenzkontrollen dort in Zukunft vermieden werden können.

Das vierseitige Dokument wurde auch auf der Webseite der britischen Regierung veröffentlicht - im Titel heißt es "Ein fairer und angemessener Kompromiss". "Wir müssen das noch vor dem Treffen des Europäischen Rats im Oktober hinkriegen", heißt es zu Beginn. Schaffe man es nicht, einen Deal auszuhandeln, wäre das ein "Versagen der Staatskunst", für das "wir alle" verantwortlich wären.

Johnson schlägt vor, die Idee des sogenannten "Backstop" - die Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland - nicht weiterzuverfolgen. Stattdessen solle es ein klassisches Freihandelsabkommen geben, durch das Großbritannien die Kontrolle über seine "eigenen behördlichen Angelegenheiten und Handelspolitik" zurückerlange. Einheitliche Regeln in Nordirland und Irland - etwa für alle Güter - sollen dafür sorgen, dass Grenzontrollen nicht notwendig seien. Die Regelung soll zunächst zwei Jahre dauern, danach soll das nordirische Parlament darüber bestimmen dürfen, ob sie bestehen bleibt. Zusätzlich zu dem Grunddokument gibt es noch eine siebenseitige Erklärung.

Die Pläne dürften in der EU auf große Skepsis stoßen. Der von Brüssel geforderte Schutz des Europäischen Binnenmarkts vor Produkten, die nicht den EU-Standards entsprechen, läge in der Hand des nordirischen Regionalparlaments, das alle vier Jahre darüber entscheiden würde, ob sich der britische Landesteil an europäischen oder an britischen Standards orientiert. Nach dem Willen Londons soll sich die EU gleichzeitig verpflichten, in keinem Fall Kontrollen an der Grenze durchzuführen. Johnson betonte in dem Schreiben, es sei "nicht das Ziel der aktuellen Regierung", eine enge Anbindung an EU-Regeln zu Zöllen und Produktstandards einzugehen.

Der Brexit-Unterhändler für die EU, Michel Barnier, soll prüfen, ob Johnsons Vorschlag als Grundlage für letzte Verhandlungen geeignet ist. Danach wird er ihn gegebenenfalls an Experten im EU-Parlament und Vertreter der Mitgliedstaaten weitergeben. Auf einer Pressekonfernez mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, der für eine Regierungskonsultation in Berlin weilt, wollte Kanzlerin Merkel die Entwicklungen noch nicht kommentieren. Man werde sich die neuen Vorschläge erst ansehen und gemeinsam bewerten. Merkel stellte aber erneut fest, dass die EU der 27 geschlossen zusammensteht. "Wir haben vollstes Vertrauen in Michael Barnier", so die Kanzlerin.

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