Süddeutsche Zeitung

Bremen:Lynchversuch nach TV-Bericht über Pädophile - Mann lebensgefährlich verletzt

  • Die Täter glaubten, in dem RTL-Beitrag die Adresse eines vermeintlich Pädophilen erkannt zu haben.
  • Eine Gruppe von sieben bis zehn Menschen versammelte sich daraufhin am Dienstagmittag an der Wohnung des 50-Jährigen und schlug diesen zusammen.
  • Die Bremer Polizei geht nicht davon aus, dass in dem betreffenden Haus tatsächlich Personen mit pädophilen Neigungen wohnen - sie warnt scharf vor jeglicher Form von Selbstjustiz.

Nach einer Fernsehsendung über Pädophilie ist in Bremen ein unbeteiligter 50-Jähriger in seiner Wohnung überfallen und lebensgefährlich verletzt worden. Der Bremer Polizei zufolge wird wegen eines versuchten Tötungsdeliktes ermittelt.

Nach Aussagen von Zeugen hätten die Täter das Opfer nach einem Beitrag in der RTL-Sendung "Punkt 12" aufgesucht, sagte ein Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft. Die Täter sind den Ermittlungen zufolge der Ansicht gewesen, den Mann in dem Bericht erkannt und dessen Adresse identifiziert zu haben. Ein Irrtum: Das Opfer war nach Angaben der Ermittler nicht derjenige aus dem Video.

Eine Gruppe von sieben bis zehn Menschen habe sich nach der Fernsehsendung am Dienstagmittag an der Wohnung des 50-Jährigen versammelt, sagte der Sprecher. Der Mob schlug den Mann so heftig zusammen, dass er zeitweise in Lebensgefahr schwebte. "Ob tatsächlich alle an der Tathandlung beteiligt waren, müssen wir klären", sagte er. In welchem Verhältnis die Angreifer zum Opfer standen und ob ihre Identitäten bekannt sind, wollte er nicht sagen. Die Polizei sucht jetzt nach den Verdächtigen.

Die Polizei wies zudem darauf hin, dass in dem betroffenen Wohnhaus in Bremen-Lesum keine Menschen mit pädophiler Neigung wohnen. Und darauf, dass niemand das Recht habe, die Justiz in die eigene Hand zu nehmen. "Keine Form und kein Anlass zur Selbstjustiz sind tolerierbar. Es ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft und der Polizei, Straftaten zu verfolgen."

Laut Polizei wurde in dem RTL-Beitrag gezeigt, wie ein Reporter über das Internet Kontakt zu vermeintlich Pädophilen sucht. Dabei wurde auch ein Mann gefilmt, "dessen Verhalten durch die Reporter als verdächtig beschrieben" worden sei. Im Internet ist der Beitrag nicht mehr auffindbar. Bei RTL hieß es, sie hätten den Beitrag vorerst gesperrt, derzeit würde er geprüft. Auch die Staatsanwaltschaft will den Beitrag nun genau unter die Lupe nehmen.

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