Als der 21 Jahre alte Mohamad Hadi Hamed im Rollstuhl, amputiert am linken Arm und Bein, seinen Überlebenskampf beim Massaker auf Utøya schilderte, blieb auch der Massenmörder Anders Behring Breivik nicht unbeeindruckt. Er sei "mental angeschlagen", erklärte Attentäter auf der Anklagebank des Osloer Gerichts, wo er vorher wochenlang unbewegt zugehört hatte.
Breiviks wichtigstes Ziel bei dem Prozess über das beispiellose Verbrechen mit 69 Toten auf Utøya und acht Opfern durch eine Autobombe in Oslo aber bleibt unverändert: Er will keine Berufung einlegen, wenn das Gericht ihn in seinem Urteil im Juli für zurechnungsfähig erklärt, wie er am Donnerstag ausdrücklich bestätigte. "Psychiatrische Verwirrung" meinte Harald Stanghelle von der Zeitung Aftenposten zu dem, was aus Fachkreisen über die wichtigste offene Frage beim Prozess an die Öffentlichkeit dringt.
Zwei Gutachten mit entgegengesetzten Schlussfolgerungen liegen dem Gericht vor: "Paranoid schizophren" und damit nicht schuldfähig, hieß es im ersten. "Zurechnungsfähig" hatten die Experten im zweiten geurteilt. Eine rechtsmedizinische Kommission hat sich bei der fachwissenschaftlichen Expertise für das Gericht ohne Einschränkung hinter das erste Gutachten gestellt. Das zweite wurde dagegen nur "zur Kenntnis genommen". Kommentatoren werteten das als gewichtige Weichenstellung für die fünf Richter.
Breivik will als zurechnungsfähig verurteilt werden
Das Gericht verlangt jetzt eine Klarstellung von der Kommission, ob sie das zweite Gutachten für fachlich akzeptabel hält oder nicht. Aftenposten veröffentlichte Ergebnisse einer dreiwöchigen Dauer-Beobachtung Breiviks aus der Haftanstalt Ila, die für die Zurechnungsfähigkeit des rechtsradikalen Islamhassers zu sprechen scheinen. Die Psychiaterin Maria Sigurjonsdottir stufte ihn als "aufmerksam, konzentriert und organisiert" ein. Er zeige "adäquate Denkprozesse", nach Inhalt und Struktur logisch. Dabei nutze er jede Gelegenheit, "seine politische Botschaft zu verkaufen".
Breivik hat mehrfach erklärt, dass er für sein Massaker an den Teilnehmern des sozialdemokratischen Jugendlagers auf Utøya und für die Bombe in Oslo als zurechnungsfähiger, politisch motivierter Täter verurteilt werden will. Deshalb lässt er seinen Anwalt Geir Lippestad bei den Zeugenaussagen über das Höllenerlebnis auf Utøya immer wieder nachhaken, wie sich der Täter aufgeführt habe. Dass so gut wie alle den als Polizist verkleideten Attentäter als ruhig und kontrolliert schildern, fällt in Breiviks Sinn aus.
Seine politischen Motive hat der Täter auch durch Briefe an die in Deutschland inhaftierte Beate Zschäpe von der Zwickauer Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) unterstrichen, die für Morde an zehn Menschen - zumeist Ausländern - verantwortlich gemacht wird.
Geschrieben hat Breivik auch an den Schweden Peter Mangs, den er als Gleichgesinnten ansieht. Mangs steht im schwedischen Malmö vor Gericht, weil er zwischen 2003 und 2010 Jagd auf dunkelhäutige Zuwanderer gemacht und dabei drei Menschen erschossen haben soll.
Vom 8. Juni an stehen Aussagen von Fachleuten zur Zurechnungsfähigkeit auf dem Prozessprogramm in Oslo.