Starkregen in Brasilien:Katastrophe mit Ansage

Starkregen in Brasilien: In Recife, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Pernambuco, haben Schlammlawinen Dutzende Häuser unter sich begraben, mindestens 34 Menschen kamen allein dort ums Leben.

In Recife, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Pernambuco, haben Schlammlawinen Dutzende Häuser unter sich begraben, mindestens 34 Menschen kamen allein dort ums Leben.

(Foto: Brenda Alcantara/AFP)

Fast 100 Menschen sterben im Nordosten Brasiliens bei Erdrutschen und Überschwemmungen. Es ist nur eines von vielen derartigen Unglücken, hervorgerufen durch die Erderhitzung - aber auch durch politische Fehlentscheidungen.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Langsam lässt der Starkregen nach, der Nordostbrasilien schon seit vergangener Woche heimsucht - und gleichzeitig wird das Ausmaß der Zerstörung klar, welche die schweren Niederschläge angerichtet haben.

In den Bundesstaaten Pernambuco, Alagoas und Sergipe sind viele Straßen überflutet, Flüsse traten über die Ufer und ganze Berghänge sind abgerutscht. Schlammlawinen haben Hunderte Häuser zerstört, Tausende Menschen könnten obdachlos geworden sein. In Recife, der Hauptstadt des besonders schwer betroffenen Bundesstaates Pernambuco, wurden Schulen zu Notlagern umfunktioniert.

Rettungskräfte haben mittlerweile auch schon fast 100 Tote geborgen, noch immer aber werden Dutzende Menschen vermisst. "Wir werden weitersuchen, bis wir auch den letzten Vermissten gefunden haben", versprach Paulo Câmara, der Gouverneur von Pernambuco.

Im Nordosten Brasiliens regnet es schon seit Tagen, allein in der Nacht vom Freitag auf Samstag fiel in einigen Regionen in nur wenigen Stunden so viel Regen wie sonst fast in einem ganzen Monat. Als dann zu Beginn dieser Woche die Niederschläge etwas nachließen, versuchten Helfer in die besonders schwer getroffenen Regionen vorzudringen. Mehr als tausend Rettungskräfte sind mittlerweile im Einsatz, mit Hunden, Hubschraubern, Baggern und Schaufeln.

Der Präsident kommt mit dem Hubschrauber - aber ohne zu landen

Auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro reiste in die Region. Am Montag überflog er mit einem Helikopter das Katastrophengebiet. Eine Landung sei nicht möglich gewesen, erklärte er später in einer Pressekonferenz, da der Boden zu sehr aufgeweicht sei. Bolsonaro versprach finanzielle Hilfen. "Wir tun alles, um den Schmerz unserer Brüder zu lindern, indem wir ihnen die notwendige Unterstützung bieten", schrieb er später auf Twitter.

Das eigentliche Problem aber ist, dass die Erdrutsche und Überschwemmungen im Nordosten Brasiliens nur ein weiteres Unglück in einer ganzen Reihe ähnlicher Katastrophen in dem Land sind. Nachdem Brasilien vergangenes Jahr mit schweren Dürren zu kämpfen hatte, wird es nun seit einigen Monaten von Starkregenfällen heimgesucht. Im Bundesstaat Rio de Janeiro, in Bahía und Minas Gerais kamen bei Überschwemmungen und Erdrutschen zuletzt ebenfalls teils Hunderte Menschen ums Leben.

Die Gründe, da sind sich die meisten Experten einig, sind im Klimawandel zu suchen. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass diese Phänomene häufiger werden", warnte der prominente brasilianische Meteorologe Carlos Nobre schon Ende vergangenen Jahres nach schweren Überschwemmungen in Bahía. "Das ist die Antwort des Planeten auf die Erderwärmung."

Zum Klima kommt aber noch ein weiterer Faktor hinzu: Oft sind vor allem arme Regionen und Stadtviertel von den Erdrutschen betroffen. Hier bauen die Menschen ihre Häuser oft illegal an Berghänge, denn anderswo können sie sich keinen Grund leisten. Wenn es dann zu Starkregen kommt, sackt der Boden weg, die Erde beginnt zu rutschen und Schlammlawinen begraben Häuser und Menschen unter sich.

Starkregen in Brasilien: Ein betroffenes Armenviertel in Recife. Die Menschen bauen ihre Häuser oft illegal an Berghänge, weil sie sich anderswo keinen Grund leisten können.

Ein betroffenes Armenviertel in Recife. Die Menschen bauen ihre Häuser oft illegal an Berghänge, weil sie sich anderswo keinen Grund leisten können.

(Foto: Diego Nigro/Reuters)

In Petrópolis im Bundesstaat Rio de Janeiro starben so schon im Februar mehr als 230 Menschen. Damals kritisierten viele Bewohner und Experten den mangelnden Katastrophenschutz. Bauvorschriften würden nicht eingehalten und Hänge nicht gesichert, schon in der Vergangenheit war es in der Region zu ähnlichen Unglücken gekommen. Echte Lehren scheinen aber nicht gezogen worden zu sein, es fehlt an Geld, Kontrolle und manchmal auch am Willen der Behörden und der Politiker, die komplexen Ursachen anzugehen. "In so einem großen Land wie dem unseren passieren solche Katastrophen leider nun mal", sagte Präsident Jair Bolsonaro am Montag.

Die Bergungs- und Aufräumarbeiten im Nordosten Brasiliens werden wohl noch für Wochen, vielleicht sogar Monate weitergehen. Es könnte, befürchten Experten, in den nächsten Tagen auch noch zu weiteren Erdrutschen kommen. Die Böden sind stark aufgeweicht - und für den Rest dieser Woche sagen Meteorologen neue Regenfälle voraus.

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