Brasilien:Proteste nach Gruppenvergewaltigung in Rio de Janeiro

Brasilien: "Todas Sangrando" (etwa: "Wir bluten alle"): Hunderte Frauen protestierten in mehreren brasilianischen Städten nach Bekanntwerden der Gruppenvergewaltigung.

"Todas Sangrando" (etwa: "Wir bluten alle"): Hunderte Frauen protestierten in mehreren brasilianischen Städten nach Bekanntwerden der Gruppenvergewaltigung.

(Foto: AFP)
  • Ein Fall von sexueller Gewalt erschüttert Brasilien.
  • Ein 16 Jahre altes Mädchen wurde nach eigenen Angaben in Rio de Janeiro von mehr als 30 Männern vergewaltigt, ein Video der Tat erschien im Internet.
  • Brasiliens Interimspräsident Michel Temer will als Reaktion auf den Fall eine Sonderabteilung bei der Bundespolizei zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen schaffen.

Die Gruppenvergewaltigung einer 16-Jährigen und ein ins Internet gestelltes Handyvideo der brutalen Tat haben in Brasilien Entsetzen ausgelöst. Die politische Führung sowie mehrere Frauenrechtsorganisationen verurteilten das Verbrechen als "barbarisch", in mehreren Städten gab es Proteste.

Die Polizei leitete Ermittlungen ein und nahm vier Verdächtige fest. Die Teenagerin soll vor einer Woche von mehr als 30 Männern vergewaltigt worden sein. Handyaufnahmen der Tat waren in dem sozialen Netzwerk Twitter aufgetaucht. Darauf ist die junge Frau zu sehen, wie sie nackt, blutend und offenbar bewusstlos auf einem Bett liegt. Eine männliche Stimme brüstet sich in dem Video damit, dass die 16-Jährige "von mehr als 30 Typen vergewaltigt" worden sei. Das Video erhielt neben Beschwerden entsetzter Nutzer auch hämische Kommentare gegen das Opfer und wurde weiterverbreitet, bevor es gelöscht wurde. Von Nachbarn wurde die Familie des Mädchens auf das im Netz kursiernde Video aufmerksam gemacht.

Racheakt des Exfreundes

"Als ich aufwachte, waren da 33 Jungs", sagte das mutmaßliche Opfer selbst der Zeitung O Globo. Sie hatte sich zu Hause vor einer Woche verabschiedet und gesagt, sie gehe mit Freunden feiern. Erst Tage später war sie verstört wieder aufgetaucht - in Männerkleidung und ohne Handy. Nach Angaben ihrer Familie wurde die 16-Jährige am vergangenen Wochenende in eine Falle gelockt, unter Drogen gesetzt und dann missbraucht. Es soll sich um einen Racheakt eines Exfreundes gehandelt haben. Medienberichten zufolge ist die Teenagerin Mutter eines dreijährigen Kindes. Das Mädchen selbst sagte bei der Polizei aus, sie sei von 33 Bewaffneten in einem Armenviertel im Westen von Rio de Janeiro sexuell missbraucht worden.

Die Polizei hält die Aussage für glaubwürdig. "Wir können nicht sagen, ob es 30, 33 oder 36 Angreifer gab", sagte ein Sprecher. Die Polizei habe bislang vier Verdächtige ausfindig gemacht, die "direkt oder indirekt" beteiligt gewesen sein sollen.

Brasiliens suspendierte Präsidentin Rousseff verurteilte die "Barbarei"

Brasiliens Übergangspräsident Michel Temer erklärte, es sei "absurd, dass wir im 21. Jahrhundert mit solchen barbarischen Straftaten leben sollen". Er versprach neue Maßnahmen; so kündigte er die Schaffung einer speziellen Abteilung bei der Bundespolizei an, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Justizminister Alexandre de Moraes kündigte auf einer Pressekonferenz in Rio an, die Verantwortlichen des "abscheulichen Verbrechens" würden ausfindig gemacht und bestraft. Die suspendierte Staatschefin Dilma Rousseff verurteilte die "Barbarei".

Auch die UN-Frauenrechtsbehörde verurteilte die Tat und erinnerte an einen weiteren Vergewaltigungsfall einer 17-Jährigen in Brasilien. In beiden Fällen seien die Teenagerinnen nach "vorsätzlichem" Plan angegriffen worden. Eine Sprecherin der Rechtsgruppe Think Olga bezeichnete die Verbrechen als "nicht ungewöhnlich", da sexuelle Gewalt gegen Frauen in Brasilien weit verbreitet sei: "Es gehört zum täglichen Leben, auch wenn die Menschen das leugnen."

Im Netz machten sich Nutzer mit dem Slogan "Ich kämpfe für ein Ende der Vergewaltigungen" Luft. Auf Twitter solidarisieren sich Tausende Menschen unter dem Hashtag #EstuproNaoÉCulpaDaVitima ("Vergewaltigung ist nicht die Schuld des Opfers") mit ihr. Dei 16-Jährige bedankte sich auf Facebook für die Anteilnahme und warnte davor, dass jede Frau so etwas erleben könne. Einem Bericht des brasilianischen TV-Senders O Globo zufolge sagte das Mädchen: "Ich fühle mich wie Müll und das Schlimmste ist, die Menschen denken, ich bin schuld, weil ich eine kurzes Kleid anhatte und dort hingegangen bin. Aber es ist nicht die Frau, die schuld ist. Ich denke, es passiert auch gerade an einem anderen Ort, mit einer anderen Frau." Über die Tat sagte sie, diese bereite ihr "mehr Schmerzen in der Seele als im Unterleib".

Hunderte Frauen protestieren in Rio gegen sexuelle Gewalt

In Rio de Janeiro, wo im Sommer die Olympischen Spiele stattfinden sollen, und in São Paulo protestierten Hunderte Frauen für ihre Rechte und hielten Schilder mit Aufschriften wie "Nein heißt Nein", "Mein Körper gehört nicht euch" und "Wir bluten alle" in den Händen.

2014 gab es nach Angaben des brasilianischen Forums für öffentliche Sicherheit in dem Land mehr als 47 000 Vergewaltigungen. Gewalt gegen Frauen hat in Brasilien zugenommen, wie aus der Studie "Landkarte der Gewalt 2015" hervorgeht. Demnach stieg die Zahl der Morde an Frauen innerhalb der vergangenen zehn Jahre um 21 Prozent. Im Durchschnitt würden in Brasilien 13 Frauen pro Tag ermordet.

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