Brasilien:Der seltsame Deutsche

Brasilien: Das Bild einer Überwachungskamera zeigt, wie der Mann am Flughafen von São Paulo eine Frau ins Gesicht schlägt.

Das Bild einer Überwachungskamera zeigt, wie der Mann am Flughafen von São Paulo eine Frau ins Gesicht schlägt.

(Foto: Quelle: Flughafen São Paulo-Guarulhos)

Ein 44-Jähriger sitzt seit drei Monaten am Flughafen in São Paulo fest. Der Fall ist rätselhaft - und stellt die Behörden in Brasilien wie in Deutschland vor eine schwierige Aufgabe.

Von Stefan Braun, Boris Herrmann, Rio de Janeiro/Berlin

Viele Brasilianer haben ein unerschütterlich positives Bild von Deutschland, dem Land, in dem angeblich alles funktioniert, was in Brasilien schiefläuft. Umso größer ist die Verwunderung über den Mann, der gerade als "der Deutsche vom Flughafen" brasilianische Schlagzeilen macht. Der Mann passt ganz und gar nicht in die gängigen Deutschlandklischees; ein 44-Jähriger aus Delmenhorst, der seit drei Monaten am internationalen Flughafen Guarulhos von São Paulo wohnt. Besser gesagt: dort sein Unwesen treibt. Er ernährt sich aus Mülleimern, schläft neben Check-in-Schaltern und schlägt wahllos um sich.

Auf einem Video der Überwachungskameras des Flughafens ist zu sehen, wie der rund zwei Meter große Mann scheinbar willkürlich eine Frau angreift, die gerade etwas in ihr Telefon tippt. Er haut ihr rechts und links ins Gesicht, bevor die völlig konsternierte Frau die Flucht ergreifen kann. Danach setzt sich der Deutsche wieder hin, als ob nichts geschehen wäre.

Seine Personalien sind bekannt, im brasilianischen Fernsehen wurden die Details seines Reisepasses gezeigt. Dem Sender Globo sagte er: "Ich bin kein Boxer." Die Überwachungskameras haben bislang mindestens sieben seiner Attacken gegen Frauen aufgezeichnet. Auf einem anderen Video liest er gemütlich ein Buch, an seinem Kragen steckt eine rote Rose.

Nach Auskunft der Flughafenaufsicht ist der Mann im Dezember in São Paulo gestrandet. Er sei legal aus Marokko eingereist, habe dann aber seinen Anschlussflug nach Frankfurt verpasst. Sein Konto ist offenbar gesperrt, weshalb er sich kein neues Ticket leisten kann. In Brasilien wächst nun der Zorn darüber, dass "der verrückte Deutsche" nicht einfach verhaftet wird. Fest steht, dass der Mann inzwischen die Behörden in beiden Ländern beschäftigt, darunter Brasiliens Bundespolizei, das deutsche Generalkonsulat in São Paulo sowie das Auswärtige Amt in Berlin. Von dort heißt es auf SZ-Anfrage, man wolle sich nicht dazu äußern, im Grundsatz kümmere sich das Konsulat darum.

Der Fall ist für Diplomaten schwierig; es existieren keine Regeln, wie damit umgegangen werden könnte. Für die Mitarbeiter des deutschen Konsulats gibt keinerlei Zwangsmöglichkeiten, nur gutes Zureden. Der Mann will sich aber wohl nicht helfen lassen, bislang sind alle Versuche gescheitert, ihn zur Kooperation zu bewegen. Auch die Flughafenaufsicht argumentiert, sie habe keine rechtliche Handhabe, um den Mann festzunehmen. Er werde aber rund um die Uhr überwacht.

Das Problem: Es findet sich keine Fluggesellschaft, die ihn transportieren will

Die brasilianische Bundespolizei verweist darauf, dass sein drei Monate geltendes Touristenvisum inzwischen abgelaufen sei, man habe ihm deshalb eine einwöchige Frist zum Verlassen des Landes gesetzt. Da sich der Mann auf brasilianischem Boden befindet, könnten aber nur die örtlichen Behörden eine Abschiebung durchsetzen. Dem stehen derzeit zwei Hindernisse im Weg: Ersten müssten die Brasilianer zunächst die Kosten für die Überstellung übernehmen (Deutschland könnte später freiwillig ausgleichen). Zweitens - und das scheint das größere Problem zu sein - müsste sich eine Fluggesellschaft finden, die ihn transportieren würde. Er gilt als Sicherheitsrisiko, deshalb will ihn niemand an Bord haben. Nach Lage der Dinge müsste er von mehreren Polizisten begleitet werden - ein Szenario, das sich weder die brasilianischen Behörden noch die Fluglinien zumuten wollen.

Und so sitzt der rätselhafte Mann mit der Rose weiter selbstverschuldet im Niemandsland von Guarulhos fest. Die Diplomaten grübeln, was sie tun könnten. Und die Brasilianer fragen sich, ob sie ihr Bild vom guten Deutschen korrigieren sollten.

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