Nach der verheerenden Schlammlawine an einem Eisenerzbergwerk in Brasilien wird ein weiterer Dammbruch befürchtet. Das Bergwerksunternehmen Vale löste am frühen Sonntagmorgen Alarm aus, nachdem Messungen ein Ansteigen des Wasserpegels an einem weiteren Staudamm der Anlage angezeigt hatten. Die Feuerwehr räume die an die Mine angrenzenden Siedlungen, sagte ein Sprecher. Die Suche nach weiteren Opfern sei vorerst eingestellt, da die Evakuierung von etwa 24 000 Menschen Vorrang habe.
In dem Bergbaukomplex nahe dem Ort Brumadinho im Osten Brasiliens war am Freitag der Staudamm eines Rückhaltebeckens gebrochen. Nach Angaben des Unternehmens erfassten zwölf Millionen Kubikmeter Schlamm Arbeiter und Gebäude der Mine und bedeckten Teile der Stadt. Die Zahl der Toten ist mittlerweile auf 37 gestiegen, bis zu 300 Menschen werden noch immer vermisst. Riesige Mengen Schlamm sollen sich in den Fluss Paraopeba ergossen haben. Unklar ist noch, wieviel Schadstoffe in dem Schlamm enthalten sind.
Naturschutzverbände fordern strengere Kontrollen
Im Fernsehen waren dramatische Szenen von den Rettungsarbeiten zu sehen: Von Hubschraubern aus zogen Retter Menschen aus dem Schlamm. Ein Mann hievte seine vor Schmerzen schreiende Frau aus den Trümmern. Eine schlammverschmierte Kuh stakste zwischen Schutt und nasser Erde umher. Etwa 200 Feuerwehrleute und 13 Hubschrauber waren an den Such- und Bergungsarbeiten in dem 40 000-Einwohner-Ort beteiligt. Insgesamt wurden mehr als 190 Menschen gefunden und in Sicherheit gebracht. Die Hoffnung, noch Überlebende zu finden, schwindet: "Sehr wahrscheinlich werden wir von jetzt an nur noch Leichen bergen", sagte der Gouverneur des betroffenen südöstlichen Staates Minais Gerais, Remu Zema.
Wie es genau zu dem Unfall kam, sei noch unklar, sagte Vale-Präsident Fábio Schvartsman. Der Damm war erst kürzlich von Experten des TÜV Süd untersucht worden. Bei der Inspektion im September seien "nach unserem momentanen Kenntnisstand keine Mängel festgestellt" worden, sagte ein Unternehmenssprecher. Nach Angaben von Vale-Chef Schvartsman wurden auch bei einer weiteren Inspektion am 10. Januar keine Mängel entdeckt.
Brasilianische Medien berichteten, dass bei der Lizenzvergabe zum Weiterbetrieb der Mine mehrere Umweltschutz- und Sicherheitsverfahren übersprungen worden seien. Das Umweltministerium kündigte eine Strafe in Höhe von 250 Millionen Reais (58 Millionen Euro) gegen Vale an. Medienberichten zufolge sollten zur Sicherheit Vermögenswerte des Konzerns über eine Milliarde Reais blockiert werden. Naturschutzverbände forderten eine strengere Kontrolle der Unternehmen.
"Das ist kein Unfall"
Im Jahr 2015 gab es in Minas Gerais bereits ein ähnliches Unglück, in das Vale ebenfalls verwickelt war. Bei der "Tragödie von Mariana" kam es in einem Eisenerzbergwerk zu einem Dammbruch an einem Rückhaltebecken. Damals kamen 19 Menschen ums Leben. Mehrere Ortschaften wurden von der Schlammlawine begraben und der Fluss Rio Doce nachhaltig verunreinigt. Es handelte sich um die bis dahin größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens. Bis heute warten Hunderte Familien auf Entschädigungszahlungen der Bergbaufirma Samarco, ein Tochterunternehmen der australischen BHP Billiton und der brasilianischen Vale.
"Diese neue Katastrophe ist die traurige Konsequenz davon, dass die brasilianische Regierung und die Bergbauunternehmen nichts dazugelernt haben", sagte Nilo D'Ávila von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. "Das ist kein Unfall, sondern ein Umweltverbrechen, das bestraft werden muss. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich schockiert angesichts der Katastrophe. "Der Generalsekretär ist zutiefst betrübt über den schrecklichen Verlust von Menschenleben und die erheblichen Schäden an Häusern und der Umwelt, die durch den Bruch des Damms in Brumadinho verursacht wurden", hieß es in einer Erklärung. "Die Vereinten Nationen sind bereit, die brasilianischen Behörden bei der Suche zu unterstützen".