Süddeutsche Zeitung

Bottrop:Apotheker-Prozess wird kein Fall fürs Schwurgericht

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Der Apotheker-Prozess um angeblich gestreckte Krebsmittel wird kein Fall fürs Schwurgericht. Das hat die für das Strafverfahren zuständige Wirtschaftsstrafkammer des Essener Landgerichts am Freitag entschieden. Eine Verurteilung des angeklagten Bottroper Apothekers wegen versuchten Mordes ist damit aber nicht endgültig ausgeschlossen. "Die Kammer hat die Rechtsmacht, sämtliche Regelungen des Strafrechts anzuwenden und jede mögliche Sanktion zu verhängen", sagte Richter Johannes Hidding.

Dem angeklagten Apotheker wird vorgeworfen, zwischen 2012 und 2016 Krebsmedikamente mit zu wenig Wirkstoff versehen, aber voll abgerechnet zu haben. Dadurch soll allein den gesetzlichen Krankenkassen ein Schaden von etwa 56 Millionen Euro entstanden sein. Mindestens 1000 Krebskranke sollen betroffen sein. Die Anklage, die vor der Wirtschaftsstrafkammer verhandelt wird, lautet auf Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz, Betrug und versuchte Körperverletzung. Dem 47-Jährigen drohen bis zu zehn Jahre Haft sowie ein Berufsverbot.

Gleich drei Anwälte von Nebenklägern, von betroffenen Krebspatienten oder deren Hinterbliebenen, hatten am Montag beantragt, den Prozess an ein Schwurgericht zu überweisen. Sie wollen den Apotheker wegen der Tötung von Menschen angeklagt sehen. Anwalt Aykan Akyildiz sprach sogar von Mord: Peter S. habe ahnungslosen Patienten wirkungslose Medikamente verabreicht - "da ist die Schwelle zur Heimtücke schnell erreicht." Das Gericht entscheid jedoch, den Nebenklägern stehe laut Gesetz kein solches Antragsrecht zu.

Schöffe ausgetauscht

Sollte sich im Laufe des Prozesses herausstellen, dass eine Verurteilung wegen Mordes oder Mordversuchs tatsächlich in Betracht kommen könnte, müsste der angeklagte Apotheker einen besonderen rechtlichen Hinweis der Richter erhalten. Das ist am Freitag jedoch nicht erfolgt.

Allerdings wurde ein Schöffe wegen möglicher Befangenheit abgesetzt. Der ehrenamtliche Richter war früher selbst Apotheker in Bottrop. Zudem ist seine an Krebs erkrankte Ehefrau in Behandlung bei einem Arzt, mit dem auch der Angeklagte eng zusammengearbeitet hat. Beides zusammen begründe den Verdacht, dass er am Ende möglicherweise nicht objektiv urteilen könne, entschieden die Richter. Er wird durch einen bereits zu Beginn des Prozesses anwesenden Ersatzschöffen ersetzt.

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