Süddeutsche Zeitung

Hochzeit von Boris Johnson:Nimm das, Dominic!

Boris Johnson hat geheiratet, als erster britischer Premierminister im Amt seit 200 Jahren. Das muss doch etwas zu bedeuten haben. Oder?

Von Michael Neudecker

Boris Johnson stört es nicht, mit Traditionen zu brechen, weshalb es eher keine Überraschung ist, dass er an diesem Tag ganz anders erschien als sonst: frisiert. Nur die Krawatte, wenigstens das, saß ein wenig schief, wie auf den Fotos zu sehen war, die am Wochenende überraschend verschickt wurden.

Von der Hochzeit des 56-jährigen britischen Premierministers und seiner 33-jährigen Verlobten Carrie Symonds, jetzt Johnson, wussten nur wenige Eingeweihte, verbunden mit deutlichen Schweigeverpflichtungen. Die Trauung fand in Westminster statt, die anwesenden Touristen wurden kurz vorher aus der Kathedrale gescheucht, aus Corona-Gründen, Lockdown, Sie wissen schon, und der Chor, der abseits des Altars die Feier begleitete, soll erst hinterher erfahren haben, wer da getraut wurde.

Eine Hochzeit ist eben eine private Sache, wobei: Was ist schon privat, wenn man Premierminister ist, in einem Land, in dem man jede Woche allein mit den Print-Zeitungen ganze Regale füllen könnte. Boris Johnson ist der erste britische Premierminister seit gut 200 Jahren, der im Amt heiratete, das muss doch etwas zu bedeuten haben, nicht wahr? Er ist außerdem ein schon zweimal geschiedener Mann, weshalb bei der Katholischen Kirche offenbar Anfragen eingingen, wie es denn sein könne, dass so jemandem das Sakrament der Ehe gespendet werde. Die ersten beiden Ehen seien im kirchlichen Sinne nicht geschlossen worden, teilte umgehend ein Sprecher der Kathedrale mit, es sei gewiss, dass alle notwendigen Formalitäten erledigt worden seien, sowohl kirchen- als auch zivilrechtlich. Man wünsche dem Paar viel Glück.

Politische Implikationen?

Außerdem ist eine Hochzeit, wenn der Premierminister heiratet, bestimmt auch eine politische Sache. Am Montag äußerten sich Freunde der Braut, die Trauung sei "ihr Triumph über ihre Feinde", namentlich vor allem Dominic Cummings, der sich seit einiger Zeit in einer Art Krieg insbesondere mit Boris und auch Carrie Johnson befindet. Der frühere Chefberater Johnsons erschüttert das Land seit Wochen mit Details und unangenehmen Beschuldigungen. Während seiner Anhörung im Parlament kürzlich sagte Cummings unter anderem, Johnson sei vor einem Jahr während Symonds' Schwangerschaft derart abgelenkt gewesen, dass er sein Amt nicht habe ausführen können, außerdem habe er diverse Freunde seiner damals Verlobten in Positionen gehievt. Jetzt also: Nimm das, Dominic!

Und dann ist da noch das Kleid, immer ein Gesprächsthema nach Hochzeiten. Modekundige Beobachter loben den reduzierten Stil des Stücks des griechischen Designers Christos Costarellos, keine Schleppe oder Schnickschnack habe Mrs. Johnson getragen, auf dem Kopf aber eine entzückende Blumenkrone. Das Kleid ist für 2870 Pfund erhältlich, 3300 Euro, aber halt! Carrie Johnson, weiß die Times, sei doch regelmäßige Nutzerin des Angebots eines Start-ups, das Kleidung vermiete, auch Hochzeitskleider, und, aha, gerade dieses Kleid, Mietpreis 52 Euro, sei dort derzeit vergriffen. Was nur konsequent wäre für dieses, nun: Jahrhundertereignis.

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