Vor Gericht:1,6 Millionen Euro vom "Sugar Daddy"

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Wie kommen Sugar-Daddys an ihre Sugar-Babys? Das war Gegenstand eines Prozesses vor dem Landgericht Bonn. (Foto: Daniel Naupold/dpa)
  • In einem Prozess in Bonn sind eine Frau und zwei Männer angeklagt, die einen Manager erpresst haben sollen.
  • Die Frau hatte über eine spezielle Dating-Plattform Kontakt zu reichen Männern gesucht.

Von Hans Holzhaider, Bonn

BonnDer "Sugar-Daddy" hat es sogar zu einem Wikipediaeintrag gebracht. So werden, lernt man dort, Männer genannt, "die eine in der Regel sexuell geprägte längerfristige Beziehung zu deutlich jüngeren Partnerinnen oder Partnern unterhalten, die dafür eine materielle Gegenleistung erhalten". Die jeweiligen Partnerinnen oder Partner heißen "Sugar-Baby"; nur ältere Semester denken dabei noch an einen Schlager-Hit von Peter Kraus aus den 50er-Jahren.

Wie kommen die Sugar-Daddys zu ihren Sugar-Babys? Dafür gibt es im Internet spezielle Dating-Plattformen, auf denen sich die Daddys, gern unter Einbeziehung ihrer schönen Autos oder Segelyachten, und die stets makellos gestylten Babys präsentieren. Eine Win-win-Situation, könnte man sich vorstellen: Jeder kriegt, was er sich am meisten wünscht.

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Leider verlaufen solche Beziehungen nicht immer nur zuckersüß. Das zeigt ein Prozess, der am Freitag vor dem Landgericht Bonn begann. Angeklagt sind eine 31-jährige Deutsche irakischer Abstammung, ein 27-jähriger Pole und ein 36-Jähriger, der die irakische und italienische Staatsbürgerschaft besitzt.

Die 31-Jährige soll, so die Anklage, 2014 über eine Sugar-Daddy-Plattform mit einem Mann in Kontakt getreten sein, der sie in den folgenden drei Jahren "insbesondere für sexuelle Dienstleistungen großzügig finanziell unterstützte". 2015 habe sie dann den Angeklagten Brajan M. kennengelernt, zu dem sie sich "hingezogen fühlte".

Gemeinsam mit M. und dem dritten Angeklagten habe sie dann ihren Sugar-Daddy, Geschäftsführer eines Telekommunikationsunternehmens, nach und nach um mehr als 1,6 Millionen Euro erpresst, unter dem Vorwand, sie sei von Mitgliedern einer Rocker-Gang entführt worden und werde misshandelt und bedroht.

"Ich wurde mitgenommen, mach, was sie sagen, sie haben mir die Nase gebrochen, mach nichts falsch", habe sie ihrem Sugar-Daddy per SMS geschrieben, oder: "Die wollen noch 200 000, wenn du Nein sagst, passiert was ganz Schlimmes, ich hab Videos gesehen, wie die jemanden quälen." Sugar-Daddy, so die Anklage, habe gezahlt und gezahlt, mal nur 10 000 oder 20 000, mal 200 000 oder 300 000 Euro. Ende 2018 habe das Sugar-Baby dann einen neuen Mann kennengelernt, mit dem sie das erprobte Geschäftsmodell weitergeführt habe. So hätten sie den Sugar-Daddy, unter anderem mit der Drohung, ihm einen Finger abzuschneiden, um weitere 250 000 Euro erleichtert.

Der Sugar-Daddy soll das Geld aus dem Betriebsvermögen bezahlt haben

Im Gerichtssaal sitzen die beiden Männer durch eine Panzerglasscheibe von ihrer Mitangeklagten getrennt. Sugar-Baby hat dem Vernehmen nach schon im Ermittlungsverfahren umfassend ausgepackt und will auch im Prozess aussagen. Die Polizei hält sie für stark gefährdet; sie wurde aus der Untersuchungshaft entlassen und in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Zuschauer im Saal dürfen keine Kleidungsstücke mit Abzeichen oder Emblemen der Rockergruppen "United Tribuns" und "Hells Angels" tragen. Das Gerichtsgebäude war großräumig von schwer bewaffneten Polizisten umstellt; Personen in Rocker-Kluft wurden nicht gesichtet.

Die Verteidiger des Angeklagten M. wiesen auf einige Umstände hin, die der Staatsanwalt "verschwiegen" habe: So habe der Sugar-Daddy die Geldbeträge, die er den Erpressern zahlte, nicht seinem Privatvermögen, sondern dem Betriebsvermögen seines Arbeitgebers entnommen, und erst als gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue und der Unterschlagung ermittelt wurde, habe er Anzeige wegen der angeblichen Erpressung erstattet. Er habe das Lösegeld auch nicht etwa an die angeblichen Entführer, sondern an die angebliche Geisel ausgehändigt, und auch gewusst, dass sein Sugar-Baby danach über teure Luxusartikel verfügte.

Den Staatsanwalt bezichtigten die Verteidiger eines "unseligen Zusammenwirkens" mit dem Geschädigten: Der Rechtsanwalt des Sugar-Daddys erhielt Akteneinsicht, obwohl das Gericht noch nicht über dessen - schließlich abgelehnte - Zulassung als Nebenkläger entschieden hatte. "Ein Bärendienst für die Wahrheitsfindung", rügte der Verteidiger.

Der Prozess wird am 26. November fortgesetzt. Ein Urteil wird Mitte Dezember erwartet.

© SZ vom 16.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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