Süddeutsche Zeitung

Bluttat in Fort Hood:"Er schien glücklich zu sein"

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Hatte er Streit mit seinen Kameraden? Spielten psychische Probleme eine Rolle? Die Ermittler sind auf der Suche nach dem Motiv des Schützen von Fort Hood. Und dürften dabei vor allem Positives über ihn hören.

Erneut hat ein Soldat auf der größten amerikanischen Militärbasis um sich geschossen. Erneut rätseln die Menschen in den USA, was zu der Gewalttat geführt haben könnte.

Äußerungen von Seiten der Ermittler und des Militärs, von Familienangehörigen und Wegbegleitern, lassen zwei Tage nach der Tat zumindest erahnen, wer der Mann war, der im texanischen Fort Hood drei Menschen erschossen, 16 weitere verletzt und anschließend sich selbst getötet hat.

Bis er an diesem Mittwoch zu seiner Waffe griff, so scheint es, hat sich der gebürtige Puerto Ricaner nie etwas zuschulden kommen lassen. "Er sah aus, als würde es ihm gut gehen. Als sei er glücklich", sagte eine Nachbarin dem Nachrichtensender CNN. Andere Medien zitieren ehemalige Schulfreunde, die von der Beliebtheit des jungen Mannes berichten; ehemalige Vorgesetzte, die ihn als Vorzeige-Soldaten beschreiben.

"Nicht direkt in Kämpfe verwickelt"

Ivan Lopez stammte demnach aus einer sehr gläubigen, musikalischen Familie und spielte in seiner Freizeit in einer Blaskapelle. Nach dem Schulabschluss engagierte er sich elf Jahre lang bei der puerto-ricanischen Nationalgarde, einer militärischen Reserveeinheit aus freiwillig dienenden Soldaten. Diese schickte ihn 2007 für 13 Monate zu einem Einsatz auf der Sinai-Halbinsel in Ägypten. Neben seiner Tätigkeit bei der Nationalgarde, die in Friedenszeiten grundsätzlich nur etwa zwei Tage im Monat in Anspruch nimmt, arbeitete er für die Polizei, spielte auch dort in der Musikkapelle.

2010 trat Lopez als Berufssoldat in die US-Armee ein. Er diente dort zunächst als Infanterist, wurde dann Fahrer für Militär-Lastwagen. 2011 wurde er in dieser Funktion für vier Monate in den Irak-Krieg geschickt. Wie das US-Verteidigungsministerium mitteilte, war er dort "nicht direkt in Kämpfe verwickelt". Er habe keine Verletzungen davongetragen. Mick Milley, Kommandeur des Stützpunktes Fort Hood, berichtete bei einer Pressekonferenz, Lopez habe nach der Rückkehr zu Protokoll gegeben, im Einsatz ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten zu haben.

Neu in Fort Hood

Zum Zeitpunkt der Tat befand er sich wegen Depressionen, Angst- und Schlafstörungen in Behandlung. Er habe Antidepressiva und Schlafmittel verschrieben bekommen und sei etwa einen Monat vor der Tat von einem Psychiater untersucht worden. Dass der 34-Jährige unter einem Posttraumatischen Stresssynrom litt, sei nicht bestätigt, sagte Milley. Der Diagnoseprozess sei langwierig und zur Tatzeit noch nicht abgeschlossen gewesen. Es habe nie Anzeichen gegeben, dass der Patient gewalttätig werden könnte.

In Fort Hood, wo er als Logistiker arbeitete, war Lopez noch ein Neuling. Erst eine Woche vor der Tat war er mit seiner Frau und der gemeinsamen drei Jahre alten Tochter auf die Militärbasis gezogen. Zuvor war seine Basis das 1000 Kilometer weiter westlich liegende Fort Bliss an der Grenze zu Mexiko.

CNN zitiert Lopez Torres, der von der Familie des Schützen als Sprecher eingesetzt wurde. Torres zufolge war der 34-Jährige in der Vergangenheit zunehmend verärgert über seine Vorgesetzten beim US-Militär. Der Grund: Lopez' Mutter sei im November überraschend gestorben. Normalerweise dürfen Soldaten dann in ihre Heimat reisen. Bei Lopez habe sich die Entscheidung über eine kurzfristige Freistellung jedoch länger als üblich hingezogen, sodass er erst fünf Tage später aufbrechen konnte. Ihm sei nur ein einziger freier Tag genehmigt worden, um an der Beerdigung teilzunehmen. Der Tod seiner Mutter habe ihm sehr zu schaffen gemacht, berichtet Torres.

Die New York Times zitiert außerdem einen langjährigen Freund, dem der Schütze Geldprobleme gestanden haben soll. Er habe seine Familie und zwei Kinder aus erster Ehe finanziell unterstützen müssen, was ihm zunehmend schwer gefallen sei.

Das alles kann zu der Bluttat in Fort Hood beigetragen haben, es muss aber nicht. Das Motiv sei noch immer vollkommen unklar, sagte Stützpunkt-Kommandeur Mark Milley bei der Pressekonferenz am Donnerstag. Bis zu diesem Tag gibt es lediglich mehr Informationen über den Mann aus Puerto Rico.

Parallele zum Attentäter von 2009

Im Moment beschäftigen sich die Ermittler vor allem mit der Frage, welche Rolle ein Streit Lopez' mit anderen Soldaten kurz vor der Tat gespielt haben könnte. Man habe Hinweise, dass es zu einer "verbalen Auseinandersetzung" gekommen sei, sagte Milley. Es gebe aber keine Anzeichen, dass der Irak-Veteran gezielt auf bestimmte Kameraden geschossen habe.

Außerdem wird untersucht, wie Lopez eine in Fort Hood noch nicht registrierte, private Waffe besitzen konnte. Der Soldat hatte die halbautomatische Pistole, mit der er um sich feuerte, erst im März erworben und dies nicht auf seinem Stützpunkt gemeldet. In Texas wird jeder Kunde, der eine Waffe kaufen will, überprüft. Offenbar sahen die Ärzte, die Lopez untersuchten, in seinen psychischen Problemen aber keinen Anlass, ihm den Waffenbesitz zu verwehren und ihn deshalb zu melden. Lopez war Kunde in dem gleichen Waffengeschäft, in dem auch der Soldat Nidal Hasan seine Pistole gekauft hatte, bevor er 2009 13 Menschen in Fort Hood tötete.

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