Süddeutsche Zeitung

Bizarre Erpressung:Familie zahlte Lösegeld für Flick-Sarg

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Entgegen bisheriger Beteuerungen hat die Milliardärsfamilie Flick offenbar doch Geld für den geraubten Sarg von Friedrich Karl Flick bezahlt. Die ungarische Polizei ermittelt weiter.

Hinter dem Diebstahl des Sarges des deutsch-österreichischen Milliardärs Friedrich Karl Flick steckt nach ersten Erkenntnissen eine Bande um einen ungarischen Anwalt, die Geld erpressen wollte. Die Familie soll auch entgegen ihrer öffentlichen Beteuerung Lösegeld gezahlt haben, teilte das Budapester Polizeipräsidium am Mittwoch mit.

Der Sarg mit der Leiche des 2006 gestorbenen Industrieerben war vor etwa einem Jahr aus einem Mausoleum in Velden im österreichischen Bundesland Kärnten gestohlen worden und war seitdem verschwunden. Vor zwei Tagen wurde bekannt, dass die Behörden in Ungarn den Sarg samt Leiche sichergestellt haben.

Der Sarg wurde der Familie übergeben und am Donnerstag erneut in dem Grab im österreichischen Velden beigesetzt. An der Bestattung nahmen neben Flicks Witwe Ingrid Flick und weiteren Angehörigen auch mehrere Sicherheitsleute teil, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA meldete. Im Anschluss war nach Angaben eines Sprechers der Flick-Stiftung eine Trauerfeier im engsten Kreis geplant.

Unterdessen laufen die Ermittlungen weiter: Nach Angaben der Polizei waren sechs Menschen an der Tat beteiligt. Der 41-jährige mutmaßliche Drahtzieher, ein Budapester Rechtsanwalt, sei festgenommen worden, erklärte der Budapester Polizeikommandeur Gabor Toth am Mittwoch. Der Anwalt bestreitet die Tat.

Ein 31-jähriger Ungar, der als Geldkurier fungiert haben soll, ist dagegen nach seiner Vernehmung wieder auf freiem Fuß. Gegen ihn werde aber weiter ermittelt, hieß es. Er soll die Tatbeteiligung gestanden haben.

Nach unterschiedlichen Meldungen sucht die Polizei nach drei bis vier weiteren Menschen. Darunter ist laut Toth unter anderem ein als "Grizzly" bekannter Rumäne, nach dem bereits wegen Mordes an einem Polizisten gefahndet wird.

In Österreich war es nach einer gescheiterten Durchsuchung der Polizei ruhig um die bizarre Entführung geworden. Die Ermittlungen wurden Ende August eingestellt. Ein Privatdetektiv sowie ein Sicherheitsdienst sollen aber weiter geforscht haben.

Nach der Beschreibung der ungarischen und österreichischen Behörden von Mittwoch spielte sich hinter den Kulissen einiges ab: Nach dem Diebstahl Anfang November 2008 sollen die Täter die Familie erstmals im Dezember mit einem englischen Brief kontaktiert haben, sagte ein Sprecher des österreichischen Bundeskriminalamtes der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Darin habe der Chef der Grabräuber geschrieben: "Sie müssen uns bezahlen. Das ist Ihre einzige Chance." Die Täter erhofften sich laut Ermittlern sechs Millionen Euro von ihrem Coup.

Um der Familie zu beweisen, dass sie wirklich im Besitz der Leiche sind, hätten sie ein Behältnis aus dem Sarg an einem bestimmten Ort hinterlegt. Daraufhin habe die Familie Flick erstmals 100.000 Euro bezahlt. Beide Seiten blieben über Briefe, die unter anderem im Wiener Stephansdom deponiert wurden, sowie über E-Mails in Kontakt. Die zweite Geldübergabe - abermals 100.000 Euro - fand dann laut Ermittlern in einer Budapester Basilika statt.

Ungarische Behörden observierten dies unbemerkt. Zudem hätten die Ermittler E-Mails aus einem Hotel abfangen können, in denen es um die Entführung ging. Mitte November stellte die ungarische Polizei laut Ermittlern dann den äußeren und inneren Sarg in zwei Budapester Stadtbezirken sicher. Davor sollen die beiden Sargteile in einem Bauschuppen und einem Kellergewölbe in einem Waldstück gelagert gewesen sein.

Die Behörden ermittelten wegen schwerer Sachbeschädigung und Störung der Totenruhe. Ein Sprecher der Klagenfurter Staatsanwaltschaft sagte allerdings, dass dieses Delikt nach zwölf Monaten verjährt sei.

Der Multimilliardär Flick hatte Zeit seines Lebens Angst vor Entführungen gehabt. Er war 1985 nach dem Verkauf des Flick- Firmenimperiums in das steuerlich günstigere Österreich gezogen und heiratete dort in dritter Ehe die um 30 Jahre jüngere Kärntnerin Ingrid Ragger. Flick war im Herbst 2006 im Alter von 79 Jahren in seiner Villa am Kärntner Wörthersee gestorben. Er hinterließ seiner Familie ein geschätztes Vermögen in Höhe von fünf bis sechs Milliarden Euro.

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