Bischof Tebartz-van Elst:Schweigen auf dem Domberg

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst steht in der Kapelle des Bischofshauses auf dem Areal der alten Vikarie gegenüber dem Dom von Limburg (Archivbild)

(Foto: dpa)

"Niemand hier wusste irgendetwas über die Kosten": Das Bau-Dezernat des Bistum Limburg beschäftigt 180 Mitarbeiter - dennoch hat keiner der Fachleute jemals Details zur Kalkulation oder Belege zum Neubau der Bischofsresidenz gesehen. Warum?

Von Gerhard Matzig und Klaus Ott

Gordon Sobbeck ist fassungslos. So hat sich der Dezernent für Finanzen, Verwaltung und Bau im Bistum Limburg die Verhältnisse dort nicht vorgestellt, als er vor anderthalb Jahren, im April 2012, diese Stelle antrat. Seine oberste Leitlinie für den Umgang mit dem ihm anvertrauten Vermögen lautet: wirtschaftlich, sparsam und nachhaltig das Geld einzusetzen. Vorsorge treffen, dass auch in Zukunft genug Mittel da sind für die vielen, vor allem sozialen Aufgaben der Kirche von Frankfurt bis Westerwald, von Wiesbaden bis Wetzlar.

So weit reicht das Bistum, in dem 2,4 Millionen Menschen leben, davon 650.000 Katholiken. Und jetzt das: Mindestens 31 Millionen Euro, statt der ursprünglich genannten 5,5 Millionen Euro, kostet das neue Diözesan-Zentrum auf dem Domberg in Limburg. Inklusive der Residenz des Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst, dem Prunk und Protz vorgeworfen wird, von dem sich immer mehr Gläubige abwenden und der die Kirche nach dem Missbrauchsskandal in den vergangenen Jahren in die nächste große Krise gestürzt hat.

"Niemand hier wusste irgendetwas über die Kosten", sagt Finanz- und Baudezernent Sobbeck über seine Abteilung, der immerhin 180 Beschäftigte angehören. "Es herrschte Verschwiegenheit bei der Abwicklung der Baumaßnahmen auf dem Domberg." Er selbst habe nie irgendeinen Beleg erhalten. Wie das? Ganz einfach! Für den Bau des Diözesanen Zentrums St. Nikolaus und der Bischofsresidenz war nicht das Bistum zuständig, sondern - ausnahmsweise - der Bischöfliche Stuhl, eine der drei großen kirchlichen Körperschaften im Reiche des Tebartz-van Elst. Der Bischöfliche Stuhl aber unterliegt nicht der Kontrolle des Finanzdezernenten und seinen Fachleuten.

Das Baudezernat des Bistums wäre wie geschaffen gewesen für den Bau

Sobbeck, 38, kennt sich aus mit Geld und Bau. Er war zwei Jahre Stadtkämmerer in Halver im Sauerland und vier Jahre Leiter der Abteilung Haushalt und Rechnungswesen bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, bevor er nach Limburg kam. Da war der Bau auf dem Domberg schon voll im Gange.

Dass ein Projekt dieser Größenordnung vom Bischöflichen Stuhl betreut werde, sei "sicherlich eine Ausnahme", sagte Sobbeck am Wochenende der Süddeutschen Zeitung. "In der Regel werden Baumaßnahmen durch mein Dezernat abgewickelt. Dafür sind meine Leute und ich ja da." Einblick in die Kalkulationen und die Ausgaben für den Bau auf dem Domberg habe er mangels Zuständigkeit nie gehabt. Was das alles nun kosten soll, davon habe er, Sobbeck, vor einer Woche erfahren. Am vergangenen Montag, am späten Nachmittag, als das Bistum mit den Zahlen herausrückte.

Sobbecks Dezernat, zu dem auch das Controlling gehört, wäre also wie geschaffen gewesen für den Bau auf dem Domberg. Doch dann hätten viele Leute mitbekommen, was dort geschieht. Dass alleine die Wohnung des Bischofs fast drei Millionen Euro teuer geworden sein soll, nach diversen Wünschen von Tebartz-van Elst. Davon 478.000 Euro für die Innenausstattung.

"Der Bischof kannte alle Materialien bis ins Detail"

Auch andere Sonderwünsche auf dem Domberg gingen ins Geld. Zu Lasten des Bischöflichen Stuhls, der den größten Teil der Kosten trägt. Das Bistum steuert nur 2,5 Millionen Euro bei. Den großen Rest muss der Bischöfliche Stuhl tragen, der viele Aufgaben hat. Dazu zählen auch die Bereitstellung der Wohn- und Arbeitsräume für den Bischof und der Unterhalt der dafür notwendigen Immobilien.

Dass eine Badewanne 15.000 Euro teuer sein muss, dass ein hängender statt, wie zuerst vorgesehen, stehender schmiedeeiserner Adventskranz in der Kapelle auf dem Domberg 100.000 Euro mehr kosten muss, dass für Kunstwerke 450.000 Euro ausgegeben werden müssen, davon steht freilich nichts in den Bestimmungen des Bischöflichen Stuhls. Dafür ist dort noch etwas ganz anderes nachzulesen. Der Bischofsstuhl ist auch auf die "Ausübung der Werke der Caritas" verpflichtet. 15.000 haupt- und etwa noch einmal so viele ehrenamtliche Mitarbeiter hat die Caritas im Bistum Limburg. Das sind Leute, die sich um hilfsbedürftige Menschen kümmern. Um Kranke und um Alte zum Beispiel, oder um Flüchtlinge. Da ist jeder Euro wichtig.

In den Regeln für den Bischöflichen Stuhl in Limburg steht unter Punkt sechs ("Wofür darf das Geld verwendet werden"), was Tebartz-van Elst besonders anvertraut war und ist. Die Gestaltung des Gottesdienstes und die "Ausübung der Werke des Apostolats und der Caritas". Hat der höchste kirchliche Würdenträger im Bistum Limburg also, im religiösen Sinne, gesündigt mit dem weltlichen Prunk auf dem Domberg? Zu Lasten jener, die auf Hilfe angewiesen sind? Hat er vielleicht auch eines der zehn Gebote aus der Bibel verletzt? Jenes Gebot etwa, in dem es heißt, man solle kein falsches Zeugnis ablegen?

Noch vor vier Monaten sprach Tebartz-van Elst von knapp 10 Millionen Euro

Der Bischof hat ja lange in der Öffentlichkeit deutlich geringere Kosten für den Bau auf dem Domberg genannt. Vor vier Monaten, im Juni, sprach er noch von knapp zehn Millionen Euro. Das ist überhaupt nicht in Einklang zu bringen mit dem, was Architekt Michael Frielinghaus über den Ablauf des Projekts und über den Bischof sagt. "Ich konnte immer davon ausgehen, dass er die Kosten kennt", äußerte Frielinghaus am Wochenende in Gesprächen mit der Süddeutschen Zeitung, in denen er erstmals Stellung bezog zu dem Bauwerk, das inzwischen die ganze Republik beschäftigt.

"Wir haben nichts gebaut, was nicht vorgegeben war als Wunsch des Bauherrn." Und weiter: "Der Bischof kannte alle Materialien und Bauformen bis ins Detail." Und dann folgt neben vielen anderen Aussagen noch eine Passage, die Tebartz-van Elst besonders schwer belastet. Frielinghaus erzählt, er habe sich schon während einer Pressekonferenz im Dezember 2010 über die damals vom Bischöflichen Stuhl genannte Bausumme in Höhe von 5,5 Millionen Euro gewundert. Aber der Bauherr, also letztlich der Bischof und seine engen Mitarbeiter, "die wussten alle, dass die Baukosten tatsächlich sehr weit über dieser Summe liegen". Träfe das zu, dann hätte Tebartz-van Elst gelogen.

Der Sprecher des Bistums erklärte dazu, man könne das nicht bestätigen und warte den in Aussicht gestellten Prüfbericht ab. Die Antwort auf die Frage, welche Aussagen und Anschuldigungen nun wahr sind und welche nicht, wird also noch etwas auf sich warten lassen. In den Bestimmungen des Bischöflichen Stuhls heißt es übrigens auf die Frage, ob der Bischof frei über das Geld verfügen könne: "Nein. Das ist schlicht nicht möglich."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: