Süddeutsche Zeitung

USA:Staatsanwaltschaft will Freilassung von Bill Cosby anfechten

Weil ein Geständnis aus einem Zivilprozess wegen sexueller Belästigung angeblich nicht hätte gegen ihn verwendet werden dürfen, wurde der US-Schauspieler aus dem Gefängnis entlassen. Die Ankläger gehen nun dagegen vor.

Etwa ein halbes Jahr nach der überraschenden Freilassung von Schauspieler Bill Cosby will die zuständige Staatsanwaltschaft diese Entscheidung mit Hilfe des höchsten US-Gerichts anfechten. Eine entsprechende Petition sei dem Supreme Court übergeben worden, teilte die Staatsanwaltschaft im Bezirk Montgomery County im US-Bundesstaat Pennsylvania mit. Ob der Supreme Court sich aber wirklich mit dem Fall beschäftigen wird, war noch nicht klar. Die große Mehrheit solcher Petitionen weist das Gericht ab.

Dem Schauspieler war vorgeworfen worden, im Jahr 2004 die damalige Uni-Mitarbeiterin Andrea Constand betäubt und sexuell missbraucht zu haben. Im April 2018 wurde Cosby schuldig gesprochen, ein paar Monate später zu einer Freiheitsstrafe von drei bis zehn Jahren verurteilt. Es war die zweite Verhandlung in dem Fall, bei der ersten im Sommer 2017 hatte die Jury noch erklärt, hoffnungslos festgefahren zu sein. Seitdem saß Cosby in einem Gefängnis außerhalb von Philadelphia.

Nachdem Cosby etwa drei Jahre in Haft verbracht hatte, hatte das höchste Gericht in Pennsylvania im Juni seine Verurteilung überraschend gekippt - und der Schauspieler war freigelassen worden. Aufgrund einer Vereinbarung mit einem früher mit dem Fall befassten Staatsanwalt hätte Cosby in dieser Sache nicht angeklagt werden dürfen, argumentierte das Gericht.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits 2005 gegen den Schauspieler ermittelt, wegen fehlender Beweise jedoch keine Anklage erhoben und das Verfahren eingestellt.

Der damalige Staatsanwalt Bruce Castor hatte dem Entertainer versprochen, keine Anklage zu erheben, um ihn dadurch zu einer Aussage im Zivilprozess zu bewegen. Solche Deals sind in den USA nicht ungewöhnlich.

Cosby zahlte drei Millionen Dollar an Constand

Castor sagte, dass er gehofft habe, damit Constand "ein wenig Gerechtigkeit" zukommen lassen zu können. Ohne Geständnis und ausreichende forensische Beweise sei die Chance auf eine Verurteilung in einem Strafprozess zu gering gewesen. Darum habe er sich auf den "Keine Anklage"-Deal eingelassen. Im Zivilprozess kam es dann zu einer außergerichtlichen Einigung. Cosby zahlte drei Millionen Dollar an Constand.

In dem Zivilprozess gestand Cosby unter Eid, Constand das Schlafmittel Methaqualon verabreicht und sie danach "an der Stelle, an der man in die Hose gelangt", berührt zu haben. "Ich habe nicht gehört, dass sie was gesagt hat ... Ich wurde nicht aufgehalten." Auf die Frage, ob er sich Methaqualon besorgt habe, um mit Frauen zu schlafen, antwortete Cosby: "Ja." Das Geständnis deckte sich mit den Vorwürfen zahlreicher Frauen, Cosby habe sie betäubt und sexuell missbraucht. Etwa 60 Frauen haben ihn mittlerweile beschuldigt. Die meisten der Fälle aber sind verjährt, manche liegen mehr als 50 Jahre zurück.

Mit seiner Aussage belastete sich Cosby schwer. Sie war der Grund, warum das Verfahren 2015, wenige Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist, erneut aufgenommen wurde. Der neue Staatsanwalt Kevin Steele hatte sich auf diesen Posten mit dem Versprechen beworben, den Fall erneut aufzurollen - genau das tat er. Entgegen der Absprache seines Vorgängers Bruce Castor mit Cosbys Anwälten. Der Supreme Court von Pennsylvania entschied später, dass die Absprache auch von Steele hätte geachtet werden müssen. Cosbys Geständnis im Zivilprozess hätte nicht verwendet werden dürfen. Er habe keinen fairen Prozess bekommen, wie es in der Verfassung vorgeschrieben sei. Gegen dieses Urteil will die Staatsanwaltschaft nun vorgehen.

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