Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Ist das Kunst oder kann das weg?

Nach dem Tod seines Nachbarn fischt ein Brite dessen Bildermappe aus der Mülltonne. Jetzt wollen Kunstfans aus der ganzen Welt die Werke kaufen.

Von Alexander Menden

Londoner Müllcontainer halten immer wieder interessante Funde bereit. 2009 wurde zum Beispiel das Hochzeitsalbum von Amy Winehouse in einem Container im Nord-Londoner Stadtteil Kilburn entdeckt. Die Sängerin hatte sich kurz zuvor scheiden lassen. 1996 fand der Hausmeister der gerade aufgelösten Produktionsfirma Park Lane Films 21 Filmdosen in einem Container und nahm sie mit nach Hause. Erst 17 Jahre später schaute er hinein und stellte fest, dass sie zwei als verschollen geltende Filme mit Peter Sellers in der Hauptrolle enthielten.

Einem aufmerksamen Nachbarn ist es nun zu verdanken, dass der Großteil des Œu­v­res eines bisher unentdeckten Londoner Künstlers vor der Verbrennungsanlage gerettet wurde: Nach dem Tod George Westrens wurde kürzlich dessen Wohnung im Stadtteil Spitalfields ausgeräumt. Sein Nachbar Alan Warburton sah, dass die Op-Art-Gemälde, die Westren geschaffen hatte, in einem Müllcontainer auf den Abtransport warteten. "Ich konnte nicht alles retten", sagte Warburton, der selbst Video- und Animationskünstler ist, dem Guardian. "Die Entrümpelungsleute hatten es eilig. Aber ich sah Georges Mappe im Müllcontainer liegen und schaffte es, sie herauszufischen."

Die Mappe enthielt mehr als 150 Filzstift-Zeichnungen, intrikate geometrische Formen, die an die Arbeiten der Künstlerin Bridget Riley erinnern. Nachdem Alan Warburton Fotos der Bilder auf Twitter gepostet hatte, bekam er Anfragen aus der ganzen Welt, ob und wo man diese Werke kaufen könne. Er sei nicht der Besitzer, nur der Verwalter dieser Bilder, betont der fürsorgliche Nachbar. Nun hat er aber ein Unternehmen gefunden, das 30 der besten Arbeiten Westrens einscannt, und plant, mit dem Erlös der Abzüge eine Gedenkausstellung zu finanzieren. Die Frage "Ist das Kunst oder kann das weg?" wurde in diesem Fall also glücklicherweise gerade noch rechtzeitig beantwortet.

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