Süddeutsche Zeitung

Österreich:"Bierwirt" soll Ex-Freundin erschossen haben

In Wien wurde eine 35-Jährige erschossen - es ist bereits der neunte Femizid in Österreich in diesem Jahr. Verdächtigt wird ein Mann, der der Grünen-Politikerin Sigrid Maurer Hassnachrichten auf Facebook geschrieben haben soll.

Von Verena Mayer

Eine Frau wurde erschossen, in ihrer eigenen Wohnung, von einem Mann, den sie gut kannte, er ist ihr Ex-Partner. Am Donnerstagabend starb sie in einem Gemeindebau in Wien-Brigittenau an Schussverletzungen am Kopf und am Bein. Die Frau, Mutter zweier Kinder, wurde 35 Jahre alt.

Die Nachricht über das Verbrechen schlägt in Österreich hohe Wellen. Denn der mutmaßliche Täter ist aus einem aufsehenerregenden Prozess bekannt. Es handelt sich um den "Bierwirt", den Besitzer eines kleinen Wiener Bierlokals, der 2018 der Grünen-Politikerin Sigrid Maurer über Facebook frauenfeindliche Nachrichten geschickt haben soll, was diese in sozialen Medien öffentlich machte.

Der Mann verklagte Maurer daraufhin wegen übler Nachrede, die Politikerin wurde deswegen erst verurteilt, dann hob ein weiteres Gericht das Urteil auf. Anfang 2021 zog der Bierwirt seine Klage schließlich zurück, Maurer wurde freigesprochen. Der Anwalt des Bierwirts bestätigte dem Standard, dass es sich bei dem Tatverdächtigen im aktuellen Fall um seinen Mandanten handelt. Die Wiener Polizei will sich nicht dazu äußern. Sie teilt lediglich mit, dass der mutmaßliche Täter 42 Jahre alt und schwer alkoholisiert gewesen sei, als er Donnerstagabend im Hof des Gemeindebaus verhaftet wurde.

Die 35-Jährige ist bereits das neunte Opfer eines Femizides in diesem Jahr

Der Tod der Frau fällt in eine Zeit, in der Österreich intensiv über Femizide diskutiert, also Tötungsdelikte an Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Denn Österreich ist einer Statistik von Eurostat zufolge das einzige EU-Land, in dem mehr Frauen als Männer Opfer von Gewaltverbrechen werden. So waren 2017 von 48 Mordopfern 27 weiblich. 2018 wurden sogar 41 getötete Frauen registriert, was mehr als einer Verdoppelung zum Jahr 2014 entsprach.

Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser, ein Netzwerk von Hilfseinrichtungen in Österreich, führt auf seiner Website eine Art tragischen Countdown. In einer Tabelle werden dort die aktuellen Femizide dieses Jahres gezählt: Die 35-Jährige ist demnach bereits das neunte Opfer.

Eine der letzten Taten, die österreichweit in die Schlagzeilen kam, ist gerade mal acht Wochen her: Anfang März übergoss der Ex-Partner eine 35-jährige Trafikantin an ihrer Arbeitsstelle mit Benzin und zündete sie an. Die Täter aus der Tabelle: Ehemänner, Lebensgefährten, Ex-Partner der unterschiedlichsten Nationalitäten und sozialen Schichten.

"Kampagne gegen Männergewalt an Frauen"

Österreichische Frauenschutzorganisationen klagen seit Langem, dass das Problem ein strukturelles sei. Frauen, die Übergriffe oder häusliche Gewalt anzeigen, würden von den Behörden oft nicht ernst genommen, während Täter mit Milde der Justiz rechnen dürften. Die Diskussion hat inzwischen auch die österreichische Politik erreicht, wo man sich weitgehend darüber einig ist, dass mehr zum Schutz der Frauen getan werden müsse.

"Ich bin zutiefst erschüttert. Das ist unerträglich", schrieb Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf Twitter. "Entschlossene Maßnahmen sind jetzt endlich dringend erforderlich." Innenminister Karl Nehammer und Frauenministerin Susanne Raab von der konservativen ÖVP kündigten einen "Sicherheitsgipfel" für Montag an.

Eine politische Konsequenz hatte die "Causa Bierwirt" seinerzeit bereits. Die Koalition aus ÖVP und Grünen hat vergangenes Jahr ein umfangreiches Gesetzespaket gegen "Hass im Netz" auf den Weg gebracht, das unter anderem ein Beschwerdeverfahren für Nutzer größerer Plattformen vorsieht, die Pflicht zur umgehenden Löschung rechtswidriger Inhalte und Maßnahmen, um sogenannte Hassposter schneller ermitteln zu können. Auch ist nunmehr "Upskirting" strafbar, also das heimliche Fotografieren unter den Rock.

Sigrid Maurer selbst nahm am Freitag auf Twitter zur Tat in Brigittenau Stellung. Dass es sich beim Täter offenbar um den Bierwirt handelt, schockiere sie persönlich, sei in der Sache aber unerheblich. "Jede getötete Frau ist eine zu viel. Jede verletzte Frau ist eine zu viel."

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