BGH-Urteil zu Coesfeld:Eine Entscheidung, die zu weit geht

Soldaten werden auch zum Kämpfen ausgebildet. Die Freisprüche, die der BGH im Fall Coesfeld aufgehoben hat, waren rechtens.

H. Holzhaider

Der Soldat als Staatsbürger in Uniform, kein bloßer Befehlsempfänger, sondern mit allen Rechten ausgestattet, die ihm das Grundgesetz garantiert - ein schönes Leitbild, ganz besonders in einer jungen Republik, die sich als Gegenentwurf zu einem Regime versteht, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten worden sind. Es gibt einen Wehrbeauftragten, der über dieses Leitbild wacht, und das Wehrstrafgesetz ist das einzige Gesetz im Lande, das "entwürdigende Behandlung" mit Strafe bedroht.

BGH-Urteil zu Coesfeld: Entwürdigende Schikanen muss ein Bundeswehrsoldat nicht über sich ergehen lassen, einen fingierten Überfall schon.

Entwürdigende Schikanen muss ein Bundeswehrsoldat nicht über sich ergehen lassen, einen fingierten Überfall schon.

(Foto: Foto: ddp)

Im Alltag des Rekrutenlebens wird das Ideal der Menschenwürde nicht ganz so hoch gehängt, aber entwürdigende Schikanen, wie sie in anderen Armeen gang und gäbe sind, muss der Bundeswehrsoldat nicht über sich ergehen lassen. Wenn, wie bei den Pionieren in Coesfeld, ein paar Ausbilder auf die Idee kommen, ihren Untergebenen Wasser in den zwangsweise geöffneten Mund zu pumpen oder sie mit Stromstößen zu traktieren, dann werden sie, wie am Landgericht Münster geschehen, zu Recht verurteilt.

Andere Ausbilder, die im Rahmen eines fingierten Überfalls nichts weiter zu tun hatten, als Rekruten zu fesseln und sie auf einem Lastwagen abzutransportieren, wurden freigesprochen - so etwas, fand das Gericht, muss ein Rekrut erdulden. Einige dieser Freisprüche hat der BGH jetzt aufgehoben, und man kann sich schon fragen, ob da nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.

Soldaten werden, nicht nur, aber auch, zum Kämpfen ausgebildet; dabei lässt sich "Feindberührung" nicht immer vermeiden. Was diesen Soldaten vorgeworfen wird, geht nicht über das hinaus, was Kinder sich beim Räuber-und-Gendarm-Spielen antun. Das ist kein Fall für den Strafrichter.

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