Vor Gericht:BGH spricht Justizbeamte von fahrlässiger Tötung frei

Unfall mit Geisterfahrer

Auf der Flucht vor der Polizei hatte der Geisterfahrer, ein Häftling auf Freigang, den tödlichen Unfall verursacht.

(Foto: dpa)
  • Der Bundesgerichtshof hat zwei Justizvollzugsbeamte freigesprochen.
  • Angeklagt waren die beiden wegen fahrlässiger Tötung und Beihilfe zum Fahren ohne Führerschein.
  • Die zwei Beamten hatten einem Häftling aus der JVA Diez im Januar 2015 Freigang gewährt, der dann einen tödlichen Unfall verursachte.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwei Justizvollzugsbeamte vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Sie hatten einem Gefangenen Hafterleichterungen gewährt, der dann während eines Freigangs als Geisterfahrer auf der Flucht vor der Polizei einen tödlichen Unfall verursacht hatte und anschließend als Mörder verurteilt wurde.

Das Landgericht Limburg in Hessen hatte die beiden leitenden Beamten aus den rheinland-pfälzischen Haftanstalten Dietz und Wittlich zu jeweils neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Sowohl Verteidigung als auch Bundesanwaltschaft hatten die Aufhebung der Urteile gefordert (2 StR 557/18).

Die Beamtin in Wittlich und der Beamte in Dietz handelten nach Überzeugung des 2. Strafsenats nicht sorgfaltspflichtwidrig. Sie hätten alle relevanten für und gegen eine Vollzugslockerung sprechenden Aspekte berücksichtigt und ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

In Rheinland-Pfalz war nach dem Landgerichtsurteil die Zahl der Insassen im offenen Vollzug deutlich zurückgegangen, weil die verantwortlichen Mitarbeiter rechtliche Konsequenzen bei Straftaten der Insassen fürchteten. "Es ist zu begrüßen, dass der Bundesgerichtshof mit seiner heutigen Entscheidung Klarheit in die Frage gebracht hat, wann Bedienstete des Justizvollzugs für Prognoseentscheidungen im offenen Vollzug strafrechtlich selbst verantwortlich sind", teilte der Mainzer Justizminister Herbert Mertin (FDP) nach dem Urteil am Dienstag mit.

Das gesamte Verfahren habe große Verunsicherung unter allen Bediensteten ausgelöst. "Dabei brauchen wir den offenen Vollzug als sinnvolles Instrument, um Gefangene rechtzeitig vor ihrer Entlassung bestmöglich in die Gesellschaft wiedereingliedern zu können."

Zum Recht auf Resozialisierung gehören auch Hafterleichterungen

Der Strafgefangene, der während eines Freigangs im Januar 2015 den tödlichen Unfall verursachte, war im Laufe seines Lebens bereits 26 Mal verurteilt worden und hatte oft eingesessen. Die meisten Taten waren Fahren ohne Führerschein. Die angeklagte Frau hatte als Vollzugsabteilungsleiterin für den Mann im Gefängnis Wittlich offenen Vollzug angeordnet. Später wurde er in das Gefängnis in Diez verlegt, wo der zweite Angeklagte für ihn verantwortlich war. Auch dort kam er in den offenen Vollzug.

Der Vorsitzende Richter unterstrich am Dienstag in Karlsruhe das auf das Grundgesetz gestützte Recht auf Resozialisierung, zu dem auch Hafterleichterungen gehören. Vertretbare Risiken müssten dabei hingenommen werden. Obwohl der Gefangene bereits mehrfach wegen Fahrens ohne Führerschein verurteilt worden war, sei nicht vorherzusehen gewesen, dass es auf der Flucht vor einer Polizeikontrolle zu einer solchen tödlichen Tat kommen würde.

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