BGH hebt Freisprüche auf:Wider die Folter beim Bund

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Sie sollen Rekruten gefesselt, gequält und misshandelt haben: Der größte Strafprozess in der Bundeswehr-Geschichte wird teilweise neu aufgerollt.

Sie verhöhnten sie, schlugen sie, fesselten sie mit Kabelbindern: Bei der simulierten Geiselnahme-Übung in Coesfeld haben Bundeswehrunteroffiziere ihren Rekruten schwere Körperverletzungen zugefügt. Diese Misshandlungen müssen nach Ansicht der Bundesanwaltschaft schärfer geahndet werden. Sie hat deshalb gefordert, den Prozess neu aufzurollen.

Die Misshandlungen von Bundeswehrrekruten müssen härter geahndet werden, findet die Bundesanwaltschaft. Der BGH hat die ersten milden Urteile nun aufgehoben. (Foto: Foto: ddp)

Das soll nun teilweise geschehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat am Mittwoch zwei Freisprüche sowie zwei Geldstrafen von jeweils 2400 Euro gegen die ehemaligen Bundeswehrausbilder aufgehoben und ordnete ein neues Verfahren vor dem Landgericht Münster an.

Das BGH-Urteil hat den Charakter eines Grundsatzurteils. Denn es ist das erste Mal, dass der BGH mit den Rekrutenmisshandlungen in Coesfeld befasst ist. Es sind noch zehn weitere Verfahren anhängig.

Das Landgericht Münster hatte im Jahr 2007 zwei Stabsunteroffiziere freigesprochen, die bei einer Übung mit unvorbereiteten Rekruten eine Geiselnahme vortäuschten und dabei auch Scheinerschießungen durchführten. Ein weiterer früherer Ausbilder, der in Großwildjägermanier mit dem Fuß auf dem Rücken eines gefesselten Rekruten für ein Foto posiert hatte, wurde wegen entwürdigender Behandlung zu einer Geldstrafe verurteilt. Im November 2007 folgte eine Geldstrafe gegen einen Ex-Ausbilder.

"Highlight der Grundausbildung"

Gegen die Urteile waren auch die Verteidiger in Revision gegangen. Sie wollten Freisprüche für alle erreichen. Sie betonten, dass die Unteroffiziere auf Befehl gehandelt hätten und die Details nicht kannten. Den Verteidigern zufolge haben viele der betroffenen Rekruten die Aktion hinterher als "Highlight der Grundausbildung" bezeichnet.

Das Urteil gegen einen fünften Angeklagten ist indes rechtskräftig. Er war 2007 als Leiter der umstrittenen Geiselnahmeübung unter anderem wegen Körperverletzung zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. (Az: 1 StR 158/08 u. 554/08 vom 14. Januar 2009)

Der Skandal von Coesfeld hatte im Sommer 2004 Deutschland erschüttert. Bei der umstrittenen Übung hatte ein "Überfallkommando" eine Gruppe von Rekruten in der Grundausbildung - darunter auch Wehrpflichtige - überfallen, sie mit Kabelbindern gefesselt und zu einer Sandgrube gekarrt. Bei einem gestellten Verhör wurden die Rekruten teilweise mit simulierten Erschießungen eingeschüchtert, mit Wasser bespritzt und mit Sand beworfen.

Alle Soldaten in der Pflicht

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sind die umstrittenen Verhöre allen beteiligten Soldaten zuzurechnen. Denn selbst wenn ihnen die Teilnahme an der Aktion befohlen worden wäre, sei deren Rechtswidrigkeit für jeden "gewissenhaften" Ausbilder offensichtlich - womit sie den Befehl nicht hätten befolgen dürfen. "Mitdenken bleibt Pflicht, zumal für Offiziere und Unteroffiziere, denen die Ausbildung von Rekruten anvertraut ist", sagte Oberstaatsanwalt Johann Schmid am Mittwoch vor dem BGH.

© dpa/AP/Reuters/hai/vw/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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