Bevölkerungswachstum:1,3 Milliarden Chinesen - und ein großes Problem

Ein 3660 Gramm schwerer, 52 Zentimeter großer und den Eltern zufolge etwas schläfrige Junge hat China einen neuen Bevölkerungsrekord beschert. Und doch zeigt die strenge Ein-Kind-Politik Wirkung. Die Gesellschaft droht zu überaltern.

Immer drängender steht China vor der Frage, wie es immer mehr Rentner versorgen kann. Allein auf sein rasantes wirtschaftliches Wachstum zu vertrauen, ist nach Warnungen von Experten ein Irrweg, da das Land schneller alt als reich wird.

Heute ist schon jeder zehnte Chinese über 60 Jahre alt, 2030 wird es jeder vierte sein, 2050 jeder dritte Chinese. "Um die alten Leute zu versorgen, müssen viele Probleme bewältigt werden", sagte Liu Hongyuan vom Forschungszentrum für Bevölkerung und Entwicklung in Peking.

"Das soziale Sicherungssystem für die Alten funktioniert nicht richtig - in den Städten wohl noch besser, aber auf dem Lande ist es ein Riesenproblem." Können heute rein rechnerisch drei Werktätige einen Rentner unterstützen, werden es in gut zwei Jahrzehnten nur noch zwei Beschäftigte sein. Zwei Drittel der Werktätigen stehen nach einer Studie ohnehin außerhalb eines formellen Rentensystems.

22 Prozent der Weltbevölkerung - und ein viel zu kleines Land

"Die Bauern trauen dem Versicherungssystem nicht", sagte Liu Hongyuan. Was überhaupt in Pensionsfonds fließt, wird sofort wieder ausgezahlt und auch nicht für die Zukunft gespart.

Waren früher die Staatsunternehmen und "Arbeitseinheiten" für die Renten zuständig, verschwindet das alte kommunistische Versorgungssystem mit Chinas "sozialistischer Marktwirtschaft", ohne ersetzt zu werden.

Da bleibt nur die Familie als soziales Netz. Trotz aller Probleme will die Regierung die 1979 eingeführte Ein-Kind-Politik aber nicht weiter lockern. Denn China besitzt nur begrenzte Ressourcen, leidet heute schon unter kritischem Wassermangel. Mit 22 Prozent der Weltbevölkerung verfügt das Land nur über 7 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche.

Auf dem Lande, wo 70 Prozent der Chinesen leben, gibt es ohnehin meist die Zwei-Kind-Familie. Wenn das erste Kind ein Mädchen ist, dürfen Bauern noch einmal versuchen, den begehrten männlichen Nachkommen zu zeugen. Ethnische Minderheiten, acht Prozent der Bevölkerung, können zwei oder mehr Kinder haben. In den Städten sind unter anderem zwei Kinder erlaubt, wenn die Eltern als Einzelkinder aufgewachsen sind.

Wer genug Geld hat, kann heute auch einfach die fällige Geldstrafe für ungenehmigten Familienzuwachs zahlen. Das Milliardenvolk wächst derzeit um zehn Millionen Menschen im Jahr.

Bald fehlen 60 Millionen Frauen

Bis 2050 wird der Höhepunkt mit 1,6 Milliarden erreicht - nicht genug für die Renten, aber heute schon zu viel für den Arbeitsmarkt. Mehr als 100 Millionen überschüssige ländliche Arbeitskräfte ziehen durch das Land. "Ein weiteres großes Problem ist das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen", sagte Liu Hongyuan.

Traditionell gelten männliche Nachkommen in China als Altersversorgung. Mit Ultraschall wird bei Schwangeren häufig das Geschlecht ermittelt, um weibliche Föten abzutreiben. Auf 100 Mädchen kommen auf diese Weise 120 Jungen.

In zehn Jahren dürften 40 bis 60 Millionen Frauen fehlen. Experten warnen vor sozialen Problemen durch unzufriedene Junggesellen, weiter wachsenden Frauenhandel, mehr Prostitution und Kriminalität durch umherwandernde Männer vom Lande, die keine Familien gründen können.

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