"Betreutes" Wohnen:Rentner lag zehn Tage tot in Wanne

Entsetzen in Hamburg: Ein Rentner starb in einer Seniorenanlage, ohne dass es jemand bemerkt hätte. Das zuständige Erzbistum weist jede Schuld von sich.

Ein 73-jähriger Mann hat zehn Tage lang unbemerkt tot in einer Anlage für "Betreutes Wohnen" in Hamburg gelegen. Erst als sich eine Nachbarin über den merkwürdigen Geruch aus der Wohnung wunderte und den Hausmeister alarmierte, entdeckte man die Leiche im Badezimmer.

"Betreutes" Wohnen: Die Wohnanlage St. Vinzenz in Hamburg: Wir legen Wert auf selbstbestimmtes Wohnen, sagte ein Sprecher des Erzbistums.

Die Wohnanlage St. Vinzenz in Hamburg: Wir legen Wert auf selbstbestimmtes Wohnen, sagte ein Sprecher des Erzbistums.

(Foto: Foto: ddp)

Die Polizei ermittelt derzeit, wie es zu dem unbemerkten Tod in der Seniorenanlage kommen konnte und sucht nach Angehörigen des Mannes. Das Wohnheim wird von der katholischen Kirche betrieben.

Die Hamburger Sozialbehörde kündigte Konsequenzen an. "Wir werden den Fall genau untersuchen", sagte die Sprecherin der Sozialbehörde, Jasmin Eisenhut. "Betreutes Wohnen" sei jedoch kein geschützter Begriff und unterliegt nicht der Heimaufsicht wie etwa Pflegeeinrichtungen. Außerdem liege die Verantwortung für die Anlage nicht bei der Behörde sondern beim Erzbistum Hamburg.

Einzige Betreuerin war im Urlaub

"In der Wohnanlage "St. Vinzenz" mit 72 Wohnungen gibt es dem Hamburger Abendblatt zufolge keine Pflegekräfte, keine Rezeption und keine Seelsorge. Die einzige Mitarbeiterin, die werktags lediglich eine Stunde Sprechstunde habe, sei zum Zeitpunkt des Todes im Urlaub gewesen. Eine Vertretung habe es nicht gegeben.

Natürlich müssen wir als Träger überlegen, wie wir solche Fälle künftig verhindern können", sagte der Pressesprecher des Erzbistums, Manfred Nielen. Er betonte, dass es sich um eine Wohnanlage und nicht um ein Alten- oder Pflegeheim handelt. "Bei uns liegt der Aspekt auf selbstbestimmtem und selbstverantwortlichem Wohnen", sagte er. So sei jeder Bewohner aufgefordert, selbst achtsam in seinem sozialen Umfeld zu leben.

Zu den Zusatzleistungen zähle lediglich eine Sozialberaterin. "Ihre Aufgabe ist aber nicht, in die Wohnungen zu gehen und dort nach dem Rechten zu schauen", sagte Nielen.

Die SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft forderte unterdessen die Festlegung von Mindeststandards für betreute Wohnanlagen. Denkbar sei etwa ein Gütesiegel, hieß es aus der Fraktion. Nach Angaben der Sozialbehörde wurden bereits sogenannte "Hamburger Mindestanforderungen" für Wohnanlagen entwickelt.

Dazu zählten etwa regelmäßige Sprechstunden, Kultur- und Freizeitprogramme oder die Bereitstellung von Gemeinschaftsräumen. Eine Broschüre informiere über die Wohnanlagen, die diese Anforderungen erfüllten - das Haus "St. Vinzenz" ist in dem Heftchen nicht aufgeführt.

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