Berliner Flughafen:Unser täglich Tegel

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So könnte der Flughafen Tegel aussehen, wenn er kein Flughafen mehr ist - und wenn es nach der Tegel Projekt GmbH geht. (Foto: Gerhard Seyfried)
  • Das Ende des Flughafens Tegel ist seit Jahren besiegelt.
  • Spätestens sechs Monate nach der Inbetriebnahme des Hauptstadtflughafen BER soll der Airport still gelegt werden.
  • Umso glorioser soll nun die Zukunft sein, zumindest, wenn es nach den Plänen des Berliner Senats geht, die am Dienstagabend vorgestellt wurden.

Von Verena Mayer, Berlin

Als die riesige Halle bis auf den letzten Platz gefüllt ist, stellt der Moderator erst mal eine Frage ans Publikum. Wie viele Leute aus beruflichen Gründen auf dieser Konferenz seien, die sich mit der Zukunft des Flughafens Tegel beschäftigt. Zehn, fünfzehn Hände werden gehoben. "Und wer ist hier, weil er Bürger ist und sich einfach für Tegel interessiert?" Jetzt gehen fast alle Hände in die Höhe.

Wenige Themen bewegen die Berliner Bevölkerung so sehr wie ihr alter Flughafen. Wobei Tegel vor allem Fans hat. Wegen seiner markanten sechseckigen Architektur, den kurzen Wegen und weil der Flughafen so nahe am Zentrum liegt. Dagegen, dass Tegel eines Tages geschlossen werden muss, hat sich im vergangenen Jahr eine Bürgerbewegung gebildet, die schließlich sogar einen Volksentscheid erzwungen hat. Bei der Abstimmung im vergangenen September sprachen sich dann 56 Prozent der Wählerinnen und Wähler dafür aus, dass Tegel bleibt, was es immer war: ein Flughafen.

Folgen hatte das allerdings keine, das Ende des Flughafens ist seit Jahren besiegelt. So sieht das Planfeststellungsverfahren vor, dass der Airport spätestens sechs Monate nach der Inbetriebnahme des Hauptstadtflughafen BER still gelegt wird. Daran ist Gutachten zufolge juristisch nicht zu rütteln, politisch gewollt ist es auch nicht. Dazu kommt, dass Tegel schon seit 2004 keine Betriebsgenehmigung mehr hat, sondern nur noch eine Art Gnadenfrist.

Umso glorioser soll nun die Zukunft sein, zumindest, wenn es nach den Plänen des Berliner Senats geht, die am Dienstagabend vorgestellt wurden

Das merkt jeder Berliner spätestens, wenn er in Tegel starten oder landen muss. Der Airport platzt zwar schon seit Jahren aus allen Nähten, so schlimm wie in den vergangenen Wochen und Monaten war es allerdings noch nie. Die Gepäckförderanlage ist veraltet, weswegen immer wieder ein Kofferchaos ausbricht. Es fehlt an Bodenpersonal und Infrastruktur, was dazu führt, dass man als Fluggast schon mal vor dem Start oder nach der Landung eine Stunde im Flieger sitzt, weil kein Schleppfahrzeug kommt, die Fahrgasttreppe fehlt oder auf dem Flughafen schlicht niemand ans Telefon geht, wenn sich die Piloten aus dem Cockpit melden. Unter denen gilt Tegel längst als einer der nervigsten Flughäfen der Welt. Dazu kommt der Fluglärm. 300 000 Berliner sind nach Angaben der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz davon betroffen, mehr als in jeder anderen deutschen Stadt.

Umso glorioser soll nun die Zukunft sein, zumindest, wenn es nach den Plänen des Berliner Senats geht, die am Dienstagabend vorgestellt wurden. Eine alte Industriehalle, in der sonst die Technische Universität Experimente vornimmt, wurde dazu in eine Mischung aus Messezentrum und Partylocation verwandelt. Stände sind aufgebaut, an den Wänden hängen Pläne, dazwischen kann man zwischen grünen Netzen Drohnen steigen lassen. Rosa Beleuchtung und Technomusik, während auf einer riesigen Leinwand Filme abgespielt werden. Auf denen ist visualisiert, was Tegel demnächst sein soll: eine Mischung aus Stadtquartier, Technologie-Park und Grünanlage nämlich. Man sieht, wie in die Hallen die Beuth-Hochschule für Technik mit eigenem Campus einzieht, dazu sollen sich Start-ups und Technologie-Unternehmen unter dem Titel "Urban Tech Republic" ansiedeln. Es soll Büros und Gewerbe geben, in einem Hangar hätte die Berliner Feuerwehr gerne eine Ausbildungsstätte. Und da ist noch das Schumacher-Quartier: ein Areal mit 5000 Wohnungen, in dem klimafreundlich gelebt werden soll, mit Sonnenenergie, begrünten Fassaden, einem riesigen Park, Radwegen und Ladestationen für die Elektroautos. "Im Jahr 2020 werden die Bagger kommen", sagt Philipp Bouteiller, der Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH.

Das Publikum hört sich alles an, geht von Stand zu Stand, diskutiert mit den Berliner Politikerinnen, die auf den Podium sitzen. Denn nicht alle Tegel-Fans sind mit diesen Ideen einverstanden. Die einen finden, es würden viel zu wenige Wohnungen gebaut, zudem soll der Senatorin für Stadtentwicklung zufolge auch nur ein Teil davon gefördert sein. Andere hätten lieber mehr Platz für die Unis oder generell mehr Freiraum. Die Leute von der Berliner Clubcommission, einer Art Lobbyvereinigung des Berliner Partyvolks, fürchten wiederum, dass hier "nach Feierabend alles tot sein" könnte und fordern, dass auch Clubs in die Quartiere einziehen.

Den ganzen Abend schwirren Worte wie "Smart City", "Internet der Dinge", "Blockchain" oder "autonomes Fahren" durch den Raum, Begriffe aus der Welt des Hightech, die in großem Kontrast zu dem stehen, was beim Thema Flughafen in Berlin der Ist-Zustand ist. Denn da ist schließlicher dieser riesige Elefant im Raum: All dies ist nur möglich ist, wenn der Hauptstadtflughafen BER tatsächlich im Jahr 2020 eröffnet wird, wofür manches spricht, aber das dachte man ja auch schon 2012, 2013, 2016 und 2018. Gesprochen wird darüber nur wenig, das B-Wort wird tunlichst vermieden.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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