
Als die Nachrichtenagenturen am Mittwoch ihre Texte über die Berliner Charité schicken, müssen sie diese schon im Titel unterscheiden: "Nur Darmkeim", steht über einer Meldung; "Nur Angriff auf Gynäkologen" über einer anderen. Zwei ungewöhnliche Ereignisse also, sie haben nichts miteinander zu tun, aber sie betreffen dasselbe Krankenhaus, die Charité.
Da ist zunächst das Baby, ein Frühchen, das am 5. Oktober nach der Infektion mit einem Serratia-Keim gestorben war. Das mit einem Herzfehler geborene Kind war am Deutschen Herzzentrum operiert worden. Danach war jedoch die Darmkeim-Infektion aufgeflammt, die es sich vermutlich auf einer Frühgeborenen-Station der Charité zugezogen hatte.
Wie Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) am Mittwoch erklärte, sei das Kind an eine Herz- und Kreislaufmaschine angeschlossen worden und alleine nicht lebensfähig gewesen. Als es starb, hätten die Eltern einer Sektion zur Feststellung der Todesursache widersprochen. In der Pathologie hätten die Ärzte dann einen natürlichen Tod festgestellt.
Zu Beginn dieser Woche hatte die Berliner Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung aufgenommen. Die Todesursache sollte per Obduktion geklärt werden. Auf die Frage nach deren Ergebnis sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwochmorgen: "Die Leiche ist nicht da". Die Staatsanwaltschaft wisse derzeit weder, wo die Leiche sei, noch kenne sie ihre Identität. Wegen der laufenden Ermittlungen wolle man keine näheren Angaben dazu machen.
"Nachholbedarf" bei der Informationspolitik der Klinik
Dem widersprach der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei. "Wir haben der Staatsanwaltschaft bereits am Dienstag die Identität des Kindes und die Adresse der Eltern mitgeteilt", hieß es in einer Mitteilung der Charité vom Nachmittag. Frei bestätigte, dass der Säugling bereits beigesetzt worden sei. Nach Informationen eines Angestellten des Bestattungsinstituts Ada wurde das Kind auf dem Islamischen Friedhof der Sehitlik-Moschee in Neukölln begraben.
Ender Tetin, Sprecher der Sehitlik-Moschee, bestätigte dies der Süddeutschen Zeitung. Gesundheitssenator Czaja präzisierte die Angaben am Abend. Das Kind sei am 12. Oktober begraben worden, erst danach habe es Erkenntnisse gegeben, dass es mit Darmkeimen befallen war. Czaja kritisierte die Informationspolitik der Charité, da gebe es "Nachholbedarf". Die Staatsanwaltschat will nun prüfen, ob eine Obduktion des Kindes noch sinnvoll ist.
Nach dem Tod des Frühchens sind am Virchow-Klinikum sieben weitere Kinder an Komplikationen einer Serratia-Infektion erkrankt. Bei 16 anderen Kindern wurde der Keim in einer Blutkultur nachgewiesen, bisher zeigen sie keine Symptome einer Erkrankung. Neue Informationen hierzu gab die Charité am Mittwoch nicht.
Unterdessen besteht an der Charité auch in einem weiteren Fall Klärungsbedarf. Am Dienstagnachmittag ist der Leiter der Gynäkologie am Virchow-Klinikum im Wedding in seinem Büro überfallen und schwer verletzt worden. Die zwei Täter attackierten den Professor mit Stockschlägen und Tritten. Der 44-Jährige erlitt einen Rippenbruch, und trug von dem Überfall Prellungen sowie Schürfwunden davon. Er wurde stationär behandelt, befinde sich aber auf dem Weg der Besserung, teilte die Charité mit. Ein Kollege, der helfend einschritt, wurde ebenfalls angegriffen.
Die beiden Angreifer sollen dem Professor Fehler bei der Behandlung einer Frau vorgeworfen haben, teilte die Polizei mit. Es sei "ein ungewöhnlicher Fall", sagte ein Sprecher. Die Ermittlungen liefen, aber die Schläger seien noch nicht gefasst. Ob sich Täter und Opfer kannten, sei noch unklar.
Die Polizei schloss einen Zusammenhang der Tat mit den Keimerkrankungen aus. Der Arzt sei nicht in jenem Bereich tätig, in dem die Keimerkrankungen aufgetreten sind, teilte die Charité mit. Gesundheitssenator Czaja besuchte das Opfer am Mittwoch am Krankenbett. Er hoffe nach dem "feigen Überfall" auf eine rasche Festnahme der Täter, sagte Czaja. Zeugen hätten Aussagen bei der Polizei gemacht. Insgesamt haben wohl ein gutes Dutzend Menschen die flüchtenden Täter gesehen, da zum Zeitpunkt des Angriffs Visite war.