Berlinale-Eröffnung:Gegen die Omikron-Wand

Berlinale 2022: Schauspielerin Heike Makatsch auf dem roten Teppich

Auch sie trägt Schwarz: Schauspielerin Heike Makatsch bei der Eröffnung der 72. Berlinale.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die Berlinale ist eröffnet. Mit Publikum und der Hoffnung auf bessere Zeiten. Auch ein paar Promis sind da, aber die wahren Stars sind andere.

Von Verena Mayer, Berlin

"Amazing!" Die Stimme einer englisch sprechenden Reporterin überschlägt sich, während sie in eine Kamera kommentiert, was gerade um sie herum passiert. Da sind Scheinwerfer und ein roter Teppich, über den schick zurechtgemachte Menschen laufen, da sind Absperrrungen, an denen Zuschauer diese Menschen nach Selfies fragen. Und es ist ja auch verrückt, was sich in Berlin abspielt: Auf dem Potsdamer Platz wurden Donnerstagsabend, mitten im Winter, mitten in der Pandemie, die 72. Berliner Filmfestspiele eröffnet. Mit allem, was dazugehört: Publikum, Promis, Präsenzveranstaltungen.

Organisatoren und Politik mussten sich im Vorfeld viel Kritik für die Entscheidung gefallen lassen, in Zeiten wie diesen ein Festival mit Tausenden Zuschauern stattfinden zu lassen. Grob fahrlässig sei das, hieß es, ein Schlag ins Gesicht derer, die sich an die Regeln gehalten haben. Der RBB forderte: "Sagt die Berlinale ab!" Die Veranstalter halten dem nun ein strenges Hygienekonzept entgegen.

Eine Mischung aus Impfzentrum und Flughafen-Sicherheitsbereich

Die Berlinale-Partys und alle anderen Veranstaltungen, die über den Unterhaltungswert einer Pressekonferenz hinausgehen, dürfen nicht stattfinden. Überall stehen Zelte, in denen Ausweise und Impfpässe kontrolliert werden. Der Zugang zu den Kinosälen ist beschränkt, es müssen online Slots gebucht und analog Bändchen für den Eintritt erworben werden.

Im Kinosaal muss eine FFP2-Maske getragen werden, unzählige Security-Leute weisen einem den Weg oder kontrollieren noch ein zweites, viertes oder zehntes Mal, ob man jetzt wirklich durchgeimpft oder getestet ist. Das führt dazu, dass die Berlinale sich wie eine Mischung aus Impfzentrum und Flughafen-Sicherheitsbereich anfühlt, dementsprechend rar haben sich die internationalen Stars gemacht.

Berlinale-Eröffnung: Auf dem roten Teppich muss vor allem die deutsche Filmprominenz für Stimmung sorgen. Iris Berben zum Beispiel.

Auf dem roten Teppich muss vor allem die deutsche Filmprominenz für Stimmung sorgen. Iris Berben zum Beispiel.

(Foto: Christian Mang/Reuters)

Erwartet werden Emma Thompson, Juliette Binoche, Charlotte Gainsbourg und Isabelle Huppert, die den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk erhält. Doch auf dem roten Teppich am Donnerstag muss vor allem die deutsche Filmprominenz für Stimmung sorgen. Iris Berben, Jella Haase, Maria Furtwängler und Maria Schrader drehen tapfer ihre Runde, Heike Makatsch winkt lange in die Menge, die Kleiderfarbe ist an diesem Abend Schwarz.

Aber die Berlinale war ja schon immer ein Publikumsfestival, die Veranstaltung, auf die vor allem die Hauptstadtbewohner hinfiebern, weil sie einen den tristen Berliner Winter überstehen lässt, eine kollektive Gruppentherapie gewissermaßen. Im Inneren des Berlinale-Palasts merkt man dann, wie nötig das alle haben. Mariette Rissenbeek, die Leiterin des Festivals, sagt, dass das "gemeinschaftliche Erleben von Kultur" gerade jetzt, da so viele Menschen isoliert sind, wichtig sei.

Berlinale-Eröffnung: Eine Art Gruppentherapie im Inneren des Berlinale-Palasts: Mariette Rissenbeek und ihr Co-Leiter Carlo Chatrian.

Eine Art Gruppentherapie im Inneren des Berlinale-Palasts: Mariette Rissenbeek und ihr Co-Leiter Carlo Chatrian.

(Foto: Ronny Hartmann/AFP)

Ihr Co-Leiter Carlo Chatrian ergänzt, dass das Kino der Ort sei, an dem man die Emotionen anderer wahrnehme, selbst welche habe und auch mal mit der Person nebenan in physischen Kontakt treten könne. Um seinen Punkt zu machen, bietet er Rissenbeek auf der Bühne auch gleich eine Umarmung an, natürlich pandemiekonform - mit Maske.

Claudia Roth sieht die Berlinale als Zeichen der Hoffnung

Für Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) ist das Festival "ein Zeichen der Hoffnung, dass wir uns von Corona nicht unterkriegen lassen". Es sei nicht nur wichtig, dass Filmleute endlich wieder ihre Werke zeigen können, sondern dass Kunst überhaupt stattfindet. Denn ohne Kunst "fehlt der Gesellschaft, der Demokratie eine Stimme".

Die Geschichten, die an diesen ersten Berlinale-Tagen geteilt werden, drehen sich dann auch um die Kraft des Kinos. Die Schriftstellerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe, die in diesem Jahr der internationalen Jury angehört, erzählt, dass ihr Vater das Kino liebte, es für People of Color wie ihn aber nicht leicht war, in ein Kino eingelassen zu werden. Die beiden sind dann immer ins Autokino gegangen, wo die anderen nicht sehen konnten, wer im Wageninneren saß. Das Kino war ihr Blick in eine andere Welt, sagt sie, und es habe die Welt zu einem "besseren Ort" gemacht.

Berlinale-Eröffnung: Schriftstellerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe gehört in diesem Jahr der internationalen Jury an.

Schriftstellerin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe gehört in diesem Jahr der internationalen Jury an.

(Foto: Andreas Rentz/Getty Images)

Die Schauspielerin Sibel Kekilli berichtet, dass sie noch immer auf die Beziehung angesprochen werde, deren Teil sie vor 18 Jahren in einem Film war. "Warum hast du Cahit verlassen?", fragte erst kürzlich wieder ein Taxifahrer. Sie finde das gut, sagt Kekilli, denn genau darum, um eindrückliche Geschichten, gehe es doch im Kino. Der Titel des Films, der damals den Goldenen Bären erhielt und den Beginn von Kekillis internationaler Filmkarriere bedeutete, könnte auch das Motto des diesjährigen Festivals sein: "Gegen die Wand". Beziehungsweise gegen die Omikron-Wand.

Und dann gibt es noch einen ungewöhnlichen Moment, bevor der Eröffnungsfilm "Peter von Kant" des französischen Regisseurs François Ozon anläuft. Claudia Roth zählt die Namen von Pflegerinnen und Pflegern, Ärztinnen und Ärzten auf, die an diesem Abend im Saal sind - als Ehrengäste. Diese stünden stellvertretend für so viele, die in den vergangenen Jahren alles getan hätten, um Leben zu bewahren. Es gibt Standing Ovations für die Ehrengäste und die Erkenntnis, dass es bei einem Filmfestival auch mal andere Stars geben kann.

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