Süddeutsche Zeitung

Hauptstadt:Berlin Alexanderplatz - mit Teflon gegen Kaugummi

Kaugummis kleben dort, wo sie landen - unauflöslich. Auf dem Berliner Alexanderplatz soll damit Schluss sein: Er bekommt eine Antihaftbeschichtung.

Inga Rahmsdorf

Wer nur lange genug auf der synthetischen Masse kaut, der kann sich seiner Wunderkräfte sicher sein. Dem Kaugummi werden so einige Fähigkeiten nachgesagt. Er mache schlau und schlank, helfe gegen Kopfschmerzen, reinige die Zähne, lockere die Kiefermuskulatur, verschaffe einen frischen Atem und baue Stress ab. Raucher greifen zum Entwöhnen von der Zigarette gerne zum Nikotinkaugummi. Die gummiartige Masse hat aber auch einen Nachteil: Hat sie erst einmal das feuchte Gebiet zwischen den Kiefern verlassen, klebt sie dort, wo sie landet - unauflöslich und unwiderruflich.

Mit dieser Unannehmlichkeit setzt sich derzeit die Stadt Berlin auseinander. Ihr neuer Brennpunkt in Sachen Kaugummi ist der Alexanderplatz. Zum Schutz vor der breitgetretenen Kaumasse und anderen Flecken soll der Platz eine Art Teflon-Beschichtung bekommen, kündigte Ephraim Gothe (SPD), zuständiger Stadtrat vom Bezirk Mitte an. Die vorhandenen Platten sollen mit einer speziellen Schicht versiegelt werden, sodass Kaugummis sich einfacher ablösen lassen und weniger Flecken bleiben. Auf kleinen Flächen wird die neue Versiegelung derzeit getestet.

Die Granitplatten auf dem Alexanderplatz sind erst vor wenigen Jahren verlegt worden. Farblich würden sie wunderbar in die Umgebung passen, hieß es damals. Das Laster des Kaugummikauens hatten die Planer allerdings nicht berücksichtigt. "Die Oberfläche am Alex ist besonders schwierig zu säubern", sagt Bernd Müller, Sprecher von den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR). Einige Male sei der Platz schon mit speziellen Hochdruckreinigern gesäubert worden, doch das sei teuer und hinterlasse ebenfalls Flecken auf den hellen Steinen.

Festgetretene Kaugummis verursachen in den meisten Städten zusätzliche Kosten. Etwa fünf bis zehn Kaugummis kleben im Durchschnitt auf jedem Quadratmeter Fläche, die ein Jahr nicht gereinigt wurde, sagt Michael Werner, Sprecher des Frankfurter Entsorgungsunternehmen FES. "Wir haben gar nicht die Kapazitäten, um die alle zu entfernen." Mit den üblichen Reinigungsfahrzeugen lässt die klebrige Masse sich nicht beseitigen. Auch in Frankfurt erhält die Einkaufsstraße Zeil derzeit einen beschichteten Bodenbelag. Doch einfach sei die Entfernung von Kaugummis nie, sagt Werner. Wer in Frankfurt beim Ausspucken eines Kaugummis erwischt wird, muss 35 Euro zahlen. In vielen Städten gibt es solch ein Bußgeld, doch wohl nur selten wird jemand in flagranti erwischt.

Bei all dem Aufwand fragt sich der Kaugummikauer, warum nicht längst die wasserlösliche Kaumasse erfunden wurde. Tatsächlich melden Wissenschaftler alle paar Jahre, einen Kaugummi entwickelt zu haben, der sich selbst abbaut. Doch ein Kaugummi, der wasserlöslich ist, zersetze sich schneller im Mund, sagt Marie Dubitsky, Fachfrau für Kaugummi beim Bundesverband Süßwarenindustrie. Es werde aber daran gearbeitet, dieses Problem zu lösen. So lange gilt wohl noch: Je besser der Kaugummi auf der Straße klebt, desto größer war der Kauspaß.

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SZ vom 19.08.2010/segi/kat
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