Süddeutsche Zeitung

Berlin:Selbstjustiz im Edeka

Ein Supermarktleiter soll einen Ladendieb so misshandelt haben, dass dieser an seinen Verletzungen gestorben ist.

Von Verena Mayer, Berlin

Jeder Diebstahl wird zur Anzeige gebracht: Dieser Grundsatz gilt in fast allen Läden. Doch in einem Markt des Lebensmittelhändlers Edeka herrschte offenbar Selbstjustiz. Anstatt einen Ladendieb der Polizei zu übergeben, soll ein Verantwortlicher den Mann so heftig geschlagen haben, dass er einige Tage später starb. Der 29-jährige Supermarktleiter wurde verhaftet, die Berliner Polizei ermittelt wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Bahnhof Berlin-Lichtenberg, Eingangshalle. Die Supermarktfiliale im Erdgeschoss hat sieben Tage die Woche geöffnet, derzeit sind hier die Ermittler unterwegs. Sie suchen nicht nur nach Spuren des Verbrechens, sondern gehen auch einem weiteren Verdacht nach: Der Supermarktleiter soll bereits zuvor Leute misshandelt haben, die beim Stehlen erwischt wurden. Möglicherweise gibt es Mitwisser, die Berliner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen einen weiteren Mitarbeiter des Supermarkts eingeleitet.

Ins Rollen gekommen war der Fall Anfang vergangener Woche. Da suchte der 34-jährige Eugenio B. mit so schweren Verletzungen im Gesicht einen Arzt auf, dass er ins Krankenhaus geschickt wurde. Einen Tag später war der Mann tot. Wie es zu der Tat kam und warum der Marktleiter so lange unentdeckt blieb, ist noch unklar. Bei Edeka Minden-Hannover heißt es dazu lediglich, der Supermarkt werde von einem selbständigen Einzelhändler geführt. Man bedaure den tragischen Tod und kooperiere mit den Behörden.

Die Zahl der Ladendiebstähle ist in Berlin stark angestiegen. 2015 wurden etwa 38 000 Fälle verzeichnet, fast 5000 mehr als im Jahr zuvor. Der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) schätzt, dass Läden und Kaufhäusern durch gestohlene Waren jedes Jahr ein Schaden zwischen 100 und 150 Millionen Euro entsteht. Dem gegenüber stehen die Ressourcen der Ermittler. Die Polizei ist von der Vielzahl der Fälle überfordert, viele Geschäfte engagieren daher private Sicherheitsfirmen. Das Phänomen Ladendiebstahl könne für ein Geschäft durchaus existenzbedrohend werden, so der HBB. Denn neben dem Schaden aus den Diebstählen müssten noch die zusätzlichen Kosten für Wachschützer getragen werden. Das gelte aber eher für kleine Einzelhändler als die Filialen großer Ketten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3185338
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.09.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.