Berlin: Prozess gegen Pokerräuber:Zwei Chefs, vier Dilettanten

Im Prozess gegen die mutmaßlichen Drahtzieher des Berliner Pokerüberfalls sind die bereits verurteilten Räuber als Zeugen geladen. Und der Richter befürchtet, der mächtige Clan eines Angeklagten könnte eine Befreiungsaktion starten.

Dominik Stawski

Es klingt nach Hollywood, nach dem Plot einer Las-Vegas-Räubergeschichte: sechs Täter, Sturmhauben, Pistolen, ein Pokerturnier im Luxushotel, eine Million Euro Preisgeld, ein Fluchtwagen, ein Tippgeber, eine Tiefgarage, in der die Täter die Beute aufteilen. Es klingt professionell.

Bewaffnete Maenner ueberfallen Pokerturnier in Berliner Luxushotel

Ein Einsatzwagen der Polizei steht nach dem Überfall vor dem Hotel Grand Hyatt.

(Foto: ddp)

Inzwischen weiß man, dass die Täter Amateure waren. Während des Überfalls auf das internationale Pokerturnier im Berliner Grand Hyatt Hotel am 6. März dieses Jahres hinterließen sie Spuren. Sie wurden gefilmt, auch ohne Sturmhauben. Sie prügelten sich mit Sicherheitsmännern und verloren den Großteil der Beute. 242 000 Euro nahmen sie mit. Gegen vier von ihnen verhängte das Berliner Landgericht bereits Anfang Juli wegen Raubes und Körperverletzung Haftstrafen von bis zu vier Jahren, viele nennen sie nur "die vier Dilettanten".

Die eigentlichen Hintermänner der Tat jedoch sollen andere sein, zwei Beschuldigte müssen sich jetzt vor dem Berliner Landgericht verantworten. Mohamed Abou-C. und Ibrahim El-M., genannt "Momo" und "Ibo", 31 und 29 Jahre alt. Beide sitzen sie hinter Glasscheiben im Saal 500 des Gerichts. Momo ist der ältere der beiden, er soll die Idee für den Überfall gehabt haben. Oft lächelt er rüber zu den Freunden in den Besucherrängen, den "Leuten aus der Szene", wie sie der Staatsanwalt nennt.

An diesem Dienstag, zum zweiten Verhandlungstag, waren die vier bereits verurteilten Pokerräuber, die Dilettanten, als Zeugen vorgeladen. Sie sollten gegen die mutmaßlichen Hintermänner aussagen. Drei von ihnen verweigerten die Aussage, sie durften das, da sie Revision gegen ihre Verurteilung beim Bundesgerichtshof eingelegt haben. Der vierte, von dem sich die Staatsanwaltschaft viel erhofft, bat die Kammer um Zeit, sich noch mit einem Anwalt besprechen zu können. Erst einmal herrscht also Schweigen.

"Was für ein Loch?"

Im Gerichtssaal stehen überall Polizisten, in den Besucherrängen sitzen mehrere Beamte mit kugelsicheren Westen und offen sichtbarer Waffe am Gürtel. Noch am Morgen des Prozessauftaktes hatte der Vorsitzende Richter die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Das Gericht befürchtet eine Befreiungsaktion im Gerichtssaal. Es ist immer wieder davon die Rede, dass Momo Teil einer mächtigen Großfamilie sei. Bei einem der beiden Angeklagten seien im Gefängnis Handys sicher gestellt worden, in einer Zelle soll es ein Loch geben. "Was für ein Loch?", fragte der Verteidiger. Lächerlich sei das. "Ich teile vorläufig mit, dass hier auf meinem Tisch auch ein Loch ist." Der Protest half nicht, die Sicherheitsvorkehrungen blieben.

Bis zum November hat das Gericht 18 Verhandlungstage eingeplant.

Ibo und Momo sitzen hier, weil die vier Dilettanten, die bereits verurteilt wurden, in Verhören Hinweise gaben. Ob sie die allerdings vor Gericht wiederholen, ist zweifelhaft. Einer der Zeugen ließ jetzt über seinen Anwalt mitteilen, dass er möglicherweise nicht immer die Wahrheit gesagt habe. Die Staatsanwaltschaft jedenfalls gibt an, genau zu wissen, was am 6.März passiert ist.

Der Vorwurf gegen Ibo und Momo lautet auf schweren Raub und gefährliche Körperverletzung, das Strafmaß bewegt sich zwischen fünf und 15 Jahren. Mohamed soll damals selbst an dem Pokerturnier teilgenommen haben. Obwohl er früh ausgeschieden sei, sagt der Staatsanwalt, habe er weiterhin die Veranstaltung besucht, um den Überfall vorzubereiten. Er soll auf den Samstag gewartet haben, weil da das Startgeld, das jeder Teilnehmer bezahlen muss, besonders hoch gelegen habe, 10.300 Euro pro Kopf, der "High-Rollers-Day".

Um 14.09 Uhr, als der Tresor im Kassenbereich gerade offen stand, soll Mohamed Ibo angerufen haben. Der soll in einem nahegelegenen Imbiss mit den vier anderen gewartet haben. Dann schickte er sie los. Ibo selbst, so steht es in der Anklage, habe am Fluchtwagen gewartet. Von Mohamed heißt es, er habe während des Überfalls nur zugeschaut.

Das Geld ist bis heute verschwunden, nur 4000 Euro sind bislang wieder aufgetaucht. Es gibt nicht viel Hoffnung, dass der Rest jemals gefunden wird. Die Seriennummern der Scheine waren offenbar nicht registriert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: