Süddeutsche Zeitung

Berliner Panda-Babys:Die hohe Kunst der Tiernamen-Diplomatie

"Hong" und "Kong", so könnten die Panda-Babys im Berliner Zoo heißen, finden einige Berliner. Das aber kommt bei China, dem Leihgeber der Panda-Eltern, gar nicht gut an.

Von Lea Deuber, Peking und Verena Mayer, Berlin

Friedlich geht es zu im Leben der Pandabären-Babys. Die beiden Jungen, die Ende August im Berliner Zoo geboren wurden, sind bei ihrer Mutter Meng Meng, die sie im Maul herumträgt oder trinken lässt. Allerdings immer nur einen wenig behaarten, rosafarbenen Zwilling auf einmal, da bei Panda-Müttern von Natur aus die Energie nur für ein Kind reicht. Das andere wird dann im Inkubator von Pflegern versorgt.

Weniger friedlich ist allerdings die Debatte, die sich nun um die Pandas entzündet hat, genauer gesagt um deren Namen. Zwar ist noch nicht klar, welches Geschlecht die beiden überhaupt haben, dem Berliner Zoo zufolge soll es erst in den kommenden zwei bis drei Wochen bestimmt werden. Aber von allen Seiten werden bereits Vorschläge gemacht, wie sie heißen sollen. So auch beim Berliner Tagesspiegel, der zu einer Zeit, als in Hongkong gerade die Proteste kulminierten, seine Leser dazu aufrief, sich mit Ideen zu melden. Die häufigste Nennung, so war im täglichen Newsletter "Checkpoint" zu lesen, sei "Hong & Kong" gewesen. Und auch die Bild-Zeitung findet: "Nennt die Pandas Hong und Kong."

Das hat nun die Chinesen auf den Plan gerufen, die Leihgeber des Pandabären-Paars Meng Meng und Jiao Qing, beziehungsweise Träumchen und Schätzchen. Die Geburt der Jungtiere kurz vor der Reise von Angela Merkel nach China Ende vergangener Woche galt dort als ein besonders gutes Zeichen für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Jetzt allerdings schimpfen viele Nutzer in den sozialen Netzwerken, man werde Bezeichnungen wie Hong und Kong niemals akzeptieren. Auch Joshua Wong und Agnes Chow seien nicht akzeptabel. Also die Namen jener Hongkonger Aktivisten, die gerade in Berlin sind, um für politische Unterstützung aus Deutschland zu werben.

Berlin müsse die Pandas zurückgeben, wenn man mit der Namensgebung den Protest in Hongkong unterstützen wolle, hieß es im Netz. Die Demonstranten in Hongkong sind aus Sicht vieler Festlandchinesen nicht viel mehr als Aufständische, die für Chaos in der chinesischen Sonderverwaltungszone sorgen. Unterstützung für die pro-demokratische Bewegung gibt es kaum. Die Vorschläge aus Deutschland finden viele dementsprechend skandalös.

Der Kritik schloss sich auch ein Mitarbeiter einer Umweltorganisation in Peking an, der in der staatlichen Global Times von einer äußerst unangemessenen Geste sprach. Deutsche Medien würden sich damit in die inneren Angelegenheiten Chinas einmischen, empörte sich der Mann, der von dem Staatsblatt als Panda-Experte vorgestellt wurde. Eine Politisierung der Tiere dürfe es nicht geben.

Pandas als Zeichen für neue strategische Freundschaften

Eine durchaus erstaunliche Kritik, sind die Tiere doch Teil der sogenannten Panda-Diplomatie, die China seit den 1950er-Jahren als wichtigen Bestandteil seiner Außenpolitik betrachtet. Gerade einmal 2300 Tiere gibt es weltweit noch. Die meisten davon leben in China. Seit Mao Zedong sind die so seltenen wie wertvollen Bären daher ein Zeichen für neue strategische Freundschaften, die China auf der Welt schließt und pflegt. Zu den bekanntesten Exemplaren gehörten sicher die Pandas Hsing-Hsing und Ling-Ling, die Mao dem US-Präsidenten Richard Nixon 1972 bei seinem China-Besuch schenkte.

In mehreren chinesischen Staatszeitungen wurde auch der Berliner Zoo zitiert. Der würde sich laut Global Times "vehement davon distanzieren", die Baby-Pandas Hong und Kong zu nennen. Eine Sprecherin des Berliner Zoos stellt auf Anfrage der SZ allerdings klar, dass das Zitat in dem Kontext nicht ganz stimme. Man habe lediglich bestritten, überhaupt etwas mit der Namenswahl zu tun zu haben. "Wir distanzieren uns davon, dass wir Namen suchen", sagt eine Sprecherin. Denn die Auswahl liege gar nicht in der Hand der Berliner. Da die Jungtiere China gehören und in einigen Jahren dorthin gebracht werden, seien für die Namen die chinesischen Experten in der Panda-Zuchtstation Chengdu zuständig. Das wiederum stellen die chinesischen Medien anders dar, die davon sprechen, dass die Namen der Tiere stets in Einklang mit dem beherbergenden Zoo festgelegt würden.

Geschenkt gibt es die Freundschaft der Chinesen nicht

Man könnte diesen Aufruhr als kuriose Fußnote bilateraler Beziehungen abtun, allerdings ist die Namensfindung von Pandabären alles andere als unpolitisch. Das zeigte sich spätestens 2005, als China sein Nachbarland Taiwan mit einem Pandabären-Paar beschenken wollte. China sieht in Taiwan eine chinesische Provinz, die zur Volksrepublik gehört. So empfand man es in Peking auch als passend, die tierischen Diplomaten Tuan Tuan und Yuan Yuan zu taufen. Schriftzeichen, die zusammengesetzt Wiedervereinigung bedeuten. Die damalige Regierung Taiwans fand das überhaupt nicht witzig und lehnte die Tiere kurzerhand ab. Erst als 2008 eine neue, dem Festland gegenüber freundlich eingestellte Regierung an die Macht kam, durfte das Einheits-Paar einreisen. Die beiden bekamen ebenfalls ein Junges, das daraufhin auf den unverfänglichen Namen "Reisbällchen" getauft wurde.

Pandas bleiben ihr ganzes Leben Eigentum der Volksrepublik. Das gilt auch für ihre Babys. Das Land kann sie und ihren Nachwuchs jederzeit zurückfordern. Zudem zahlen die Zoos Geld für die Leihgabe. Mehrere Millionen Euro kann so ein Tier pro Jahr kosten. Geschenkt gibt es die Freundschaft der Chinesen also nicht. Und die Berliner? Wollen erst einmal abwarten, was für Namensvorschläge aus China kommen. Erfahrung hat man ja in der Hauptstadt mit den Panda-Diplomaten. 1979 bekam Helmut Schmidt ein chinesisches Pandabärenpaar als Staatsgeschenk und übergab es dem Berliner Zoo. Das Männchen Bao Bao wurde nicht nur zum Publikumsliebling, sondern mit 34 Jahren auch der weltweit älteste Panda in Gefangenschaft. Bao Baos Name lautete übersetzt Schätzchen, und seine Partnerin hieß Himmelchen, so wie das Himmelchen über Berlin.

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SZ vom 11.09.2019/olkl
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