Das City Hostel Berlin ist eine Unterkunft wie so viele in der Touristenmetropole. Mitten in der Stadt, nicht weit vom Brandenburger Tor entfernt, ein Plattenbau mit Doppel- und Mehrbettzimmern, die schon für 17 Euro die Nacht zu haben sind. Eine Lobby mit Tresen und Sitzgelegenheiten, wo man abends Bier trinken kann. Dass der Ort ungewöhnlich ist, merkt man allerdings, sobald man davor steht. In Schaukästen rechts neben dem Gebäude hängen Bilder des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un. Lächelnd, mit vielen Fahnen, jedes Foto ein Stück nordkoreanische Propaganda.
Denn der unmittelbare Nachbar des City Hostels ist die nordkoreanische Botschaft, ein grauer Klotz mit hohem Zaun. Und Nordkorea ist nicht nur der Nachbar, die Immobilie gehört auch zum Gelände der Botschaft. Dort wurde früher für die Botschaft gearbeitet, seit 2008 ist das City Hostel untergebracht. Was aber hat Nordkorea mit Billig-Touris am Hut, mit "jungen Reisegruppen, Rucksacktouristen und Familien", wie es auf der Website des Hostels heißt, oder Leuten, die in Berlin "Party, Party, Party" machen wollen? Nun, das Hostel hat wohl Miete gezahlt und dieses Geld könnte an Nordkorea geflossen sein - so vermuten es jedenfalls die deutschen Behörden. Das aber würde gegen die Sanktionen gegen Nordkorea verstoßen.
Vor zwei Jahren fiel erstmals ein Schlaglicht auf diesen Ort. Ende 2016 hatte der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 2321 die Sanktionen gegen Nordkorea verschärft. So dürfen die nordkoreanischen Botschaften etwa keine Geschäfte mit Immobilien machen, weil sie im Verdacht stehen, dadurch im Ausland Devisen für das Atomprogramm zu beschaffen. Seit 2017 gibt es auch eine EU-Verordnung dazu, das deutsche Außenwirtschaftsgesetz wurde entsprechend geändert. Das City Hostel, von dem angeblich 38 000 Euro Monatsmiete an die Nordkoreaner geflossen sind, sollte daher eigentlich längst geschlossen sein. Die Süddeutsche Zeitung hatte damals als erste über diesen Fall berichtet.
Treffen zwischen Trump und Kim:Historisches Schulterklopfen an der Granitplatte
Eine Stunde lang sprechen Trump und Kim miteinander, sie wollen weiter über Nordkoreas Atomprogramm verhandeln. Südkoreas Präsident Moon muss erst einmal vor der Tür warten.
Doch an diesen heißen Sommertagen gehen noch immer Leute aus und ein, an der Rezeption erklärt ein freundlicher junger Mann, dass die Zimmerpreise davon abhängen, wann man bucht. In einer schriftlichen Anfrage an den Regierenden Bürgermeister wollte nun der Berliner SPD-Abgeordnete Tom Schreiber wissen, was sich seit zwei Jahren viele in Berlin fragen: Wie kann das sein?
Die Antwort der Berliner Senatskanzlei ist lang, zusammengefasst lautet sie: Es ist kompliziert. Denn das Berliner Billighotel ist nicht nur ein Beispiel dafür, wie weit Weltpolitik ins Lokale reichen kann. Sondern auch dafür, wie schwierig es ist, globale Beschlüsse umzusetzen. Zwar heißt es aus dem Auswärtigen Amt, dass die Umsetzung der Sanktionen ein "Kerninteresse der deutschen Außenpolitik" sei, man sich beim City Hostel "für eine Umsetzung der entsprechenden Regelungen" einsetze und auch "die entsprechenden Schritte eingeleitet" habe. Nordkorea hat das Mietverhältnis auch 2017 gekündigt. Aber um den Betrieb des Hostels gibt es bis heute einen erbitterten Rechtsstreit.
Die Betreiber des Hostels wehren sich vor Gericht gegen die Kündigung
Das City Hostel wird von einer GmbH betrieben, hinter der eine türkischstämmige Unternehmerfamilie steht. Mehrere Anfragen der SZ an die Betreiber blieben unbeantwortet. 2017 sagten sie Medienberichten zufolge, dass es für sie existenzbedrohend sei, das Gebäudes aufzugeben, weshalb man sich "mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen" werde. Und so kam es dann auch. Seit 2018 versucht das Bezirksamt Mitte, das für Unterkünfte im Bezirk zuständig ist, das City Hostel zu schließen. Dagegen wurde erst Widerspruch eingelegt und inzwischen Klage eingereicht. "Das weitere Rechtsverfahren bleibt abzuwarten", heißt es seitens der Berliner Senatskanzlei.
Und das kann zäh werden. Zumal die Rechtslage alles andere als eindeutig ist. So hat nach Informationen der SZ das Hauptzollamt Berlin ein Bußgeldverfahren gegen die Betreiber des City Hostels geführt. Es ging um einen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz, das Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten endete Ende März 2019 mit einem Freispruch, der inzwischen rechtskräftig ist. In der Urteilsbegründung hieß es, die Behörden hätten nicht nachweisen können, dass die Mieter des City Hostels tatsächlich Geld an Nordkorea gezahlt haben.
Und so wird das Gelände, das einst die DDR der nordkoreanischen Botschaft überließ, das bleiben, was es immer schon war: politisch brisant. Der SPD-Abgeordnete Tom Schreiber, der sich fragt, ob es "dunkle Geschäfte der Botschaft von Nordkorea im Herzen von Berlin" geben könnte, will sich jetzt an Bundestagsabgeordnete wenden, damit die sich des Themas annehmen.