Kreativdorf "Holzmarkt":Verplant in Berlin

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Am Berliner Holzmarkt geht es um viel Geld und die Frage, wer über den wenigen Freiraum, den es in Berlin noch gibt, bestimmen darf. (Foto: Peter Meissner/imago/PEMAX)
  • Das Kreativdorf "Holzmarkt" sollte eine Mischung aus Co-Working-Space, Abenteuerspielplatz und Partyzone werden.
  • Der "Holzmarkt" ist längst über die Hauptstadt hinaus bekannt.
  • Doch das Projekt, für das sich auch Prominente einsetzen, steht auf der Kippe.

Von Verena Mayer, Berlin

Müsste man einen Ort nennen, der typisch für Berlin ist, würde vielen wahrscheinlich erst einmal nicht der Fernsehturm einfallen, das Brandenburger Tor oder der Kurfürstendamm. Sondern das sogenannte Kreativdorf an der Spree. Schon optisch ist es genauso, wie man sich eine Berliner Location vorstellt: eine bunt durcheinandergewürfelte Sammlung aus Holzgebäuden, Wohnungen, Ateliers und Galerien, dazwischen Cafés, eine Veranstaltungshalle, eine Kita und Platz zum Feiern. Eine Mischung aus Co-Working Space, Abenteuerspielplatz und Partyzone, die als "Holzmarkt" längst über die Hauptstadt hinaus bekannt ist.

Und erst die Geschichte dieses Projekts: Früher war hier die legendäre Bar 25, ein weitläufiges Areal mit Liegewiese, Hütten und Strand, auf dem man über Tage tanzen, essen, trinken oder auch nur in der Hängematte liegen konnte. Ein Raum, an dem nichts festgelegt ist und der doch alles war, wofür Berlin steht: Platz und Freiheit. Und als das Gelände in begehrter Uferlage 2010 verkauft werden sollte, haben sich Künstler, Musiker und Leute aus der Clubszene kurzerhand zusammengeschlossen, um das zu verhindern. Sie haben eine "Genossenschaft für urbane Kreativität" gegründet, eine Schweizer Stiftung ins Boot geholt, und dann errichteten sie ihr Kreativdorf, das im Mai 2017 mit einer rauschenden Party eröffnet wurde.

Hier könnte die Geschichte enden. Als urbanes Märchen, und wenn sie nicht gestorben sind, wohnen, arbeiten und feiern sie bis heute. Doch inzwischen ist um das Berliner Kreativdorf ein erbitterter Streit entbrannt. Es geht um viel Geld und die Frage, wer über den wenigen Freiraum, den es in Berlin noch gibt, bestimmen darf.

Die Kreativen, die sich in dem Dorf angesiedelt haben, wollen das nicht hinnehmen, Tom Tykwer etwa

Grund ist das Nachbargrundstück, das seit Beginn der Planungen zum Holzmarkt-Projekt gehört. Dort will die Genossenschaft fünf bis zu 30 Meter hohe Häuser größtenteils aus Holz errichten lassen, das "Eckwerk". Der Entwurf dafür stammt unter anderem vom renommierten Architektenbüro Kleihues + Kleihues und hat bereits bei internationalen Wettbewerben für Aufsehen gesorgt. Vor allem deswegen, weil die Architektur vieles offenlässt, nur Gefäß sein will für das, was die Leute eines Tages daraus machen. Und das kann alles sein, Gründer und Start-ups könnten hier ebenso unterkommen wie Künstler, Studenten und Forscher. Von einem Ort "der dritten Art" spricht der britische Stadtforscher Charles Landry, der sich lange mit dem Projekt beschäftigt hat. "Nicht Arbeit, nicht Wohnen, irgendetwas Drittes."

Doch genau das ist das Problem. Denn Freiräume sind das eine. Das andere ist die Stadtplanung, und von der haben die einzelnen Beteiligten sehr unterschiedliche Vorstellungen. Der zuständige Bezirk glaubt, dass das Eckwerk baurechtlich nicht durchgesetzt werden kann, das Land Berlin wiederum will an dem Ort Wohnungen für 600 Studierende bauen. Passiert ist bislang nichts, es gab mehrere juristische Auseinandersetzungen. Inzwischen hat sich die Schweizer Stiftung zurückgezogen, und die Holzmarkt-Genossenschaft braucht dringend Geld. Sie will das Land Berlin aufgrund der Verzögerungen auf 19 Millionen Euro Schadenersatz verklagen. Das Berliner Vorzeigeprojekt, zu dem Stadtpolitiker regelmäßig Delegationen von Bürgermeistern aus aller Welt angeschleppt haben, steht auf der Kippe.

Die Kreativen, die sich in dem Dorf angesiedelt haben, wollen das nicht hinnehmen. Der Regisseur Tom Tykwer etwa. Er spaziert an einem kalten Spätherbsttag über die verwinkelten Wege zum Mittagessen ins Restaurant Katerschmaus. Touristenschiffe fahren auf der Spree vorbei, immer wieder ziehen die Leute ihre Handys und machen Fotos vom Holzmarkt.

Tykwer kennt den Ort, seit er früher in der Bar 25 seine Premierenfeiern abgehalten hat, inzwischen hat er sein Büro im Holzmarkt. Das Drehbuch zur Serie "Babylon Berlin" ist hier entstanden. Tykwer sagt, er habe sich in den Ort "verknallt", weil "man hier nicht nur Räumlichkeiten mietet, sondern die kreative Community gleich mit". Er verstehe nicht, sagt Tykwer, warum es so weit gekommen sei. "Wir sind ja nicht irgendwelche Robin Hoods hier, sondern wir haben in der ganzen Stadt Rückenwind."

Jetzt soll eine Art Beirat retten, was noch zu retten ist. Darin sitzen der frühere Grünen-Politiker Wolfgang Wieland, die Architekturprofessorin Barbara Hoidn und der Hamburger Club-Betreiber John Schierhorn. Ganz Deutschland schaue auf dieses Projekt, sagt Schierhorn, "wenn das scheitert, ist das ein schlechtes Signal". 90 Tage geben sie sich, um alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und zu vermitteln. Damit der Holzmarkt zumindest in einer Beziehung nicht zu einem typischen Berliner Ort wird: mit großen Ambitionen gestartet und dann am Planungschaos gescheitert.

© SZ vom 12.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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