Großfeuer in Berlin:"Ich bin um 3.20 Uhr von einem unfassbar lauten Knall aufgewacht"

Auf einem Sprengplatz im Berliner Grunewald hat eine gewaltige Explosion ein Großfeuer ausgelöst. Weil auf dem Gelände Feuerwerkskörper und Weltkriegsmunition liegen, kann die Feuerwehr nur eingeschränkt löschen. Am Abend kommt es zu erneuten Detonationen.

Von Oliver Klasen

Wer im Westteil Berlins oder in einer der angrenzenden Gemeinden in Brandenburg lebt, ist am Donnerstagmorgen womöglich vom Lärm der Feuerwehrsirenen geweckt worden. Oder, so wie Helene Stolzenberg, die im Stadtteil Zehlendorf wohnt, und erzählt: "Ich bin um 3.20 Uhr von einem unfassbar lauten Knall aufgewacht."

Zwei Stunden später, um 5.12 Uhr, verschickt die Berliner Feuerwehr eine amtliche Gefahrendurchsage: "Großbrand im Forst Grunewald", und aus den Meldungen, die anschließend von den Einsatzkräften nach und nach eintrudeln, wird schnell klar: Die Lage ist ernst. Denn es handelt sich nicht um einen normalen Waldbrand in dem von vielen Menschen geschätzten Erholungsgebiet, sondern um einen Einsatz an einem Ort, an dem explosive Materialien in großer Menge lagern.

Großfeuer in Berlin: Schwarzer Rauch steht über Berlin, selbst von Kreuzberg aus konnte man ihn sehen.

Schwarzer Rauch steht über Berlin, selbst von Kreuzberg aus konnte man ihn sehen.

(Foto: Gerd Roth/dpa)

Ort des Geschehens ist ein Sprengplatz der Polizei, der, etwa auf Höhe der Anschlussstelle Hüttenweg, westlich der Autobahn A 115, mitten im Grunewald liegt. An dieser Stelle, und das ist das Problem in diesem Fall, lagern nach Polizeiangaben 25 Tonnen unter anderem an Feuerwerkskörpern und Weltkriegsmunition.

Die Ursache für den Brand ist am Donnerstag zunächst nicht klar. "Wir versuchen, so schnell wir können mit den Brandermittlern an den Ort zu kommen", sagt Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Einsatzkräfte hätten deutliche Detonationen wahrgenommen, viele vermuten deshalb, dass es eine unbeabsichtigte Explosion auf dem Sprengplatz gab, die in der Folge weitere Explosionen ausgelöst hat.

Das deckt sich mit dem, was Helene Stolzenberg in Zehlendorf erlebt hat, etwa vier Kilometer von dem Sprengplatz entfernt. "Der erste Knall klang wie eine Bombe, ich dachte, so muss sich Krieg anhören", sagt sie am Telefon. Nach dem großen Knall seien viele, viele kleine Knalle zu hören gewesen. "Das hörte nicht auf, und irgendwann klang es wie ein Feuerwerk", sagt Stolzenberg. Bis nach sechs Uhr morgens sei das so gegangen. Explosionen gemischt mit Sirenengeheul und Hubschraubergeknatter.

Um 3.24 Uhr wird die Feuerwehr alarmiert. In sozialen Netzwerken sind Videos zu finden, die einzelne der späteren Folge-Detonationen aus der Ferne zeigen. Außerdem kursiert ein Video, das einen glutrot erleuchteten Nachthimmel hinter Bäumen zeigt, die auf einem mit Stacheldraht eingezäunten Gelände stehen. In der etwa 45 Sekunden langen Aufnahme sind immer wieder laute Explosionen zu hören und Leuchtfeuer zu sehen.

Mindestens 120 Feuerwehrleute sind am Donnerstag im Grunewald im Einsatz, außerdem Spezialkräfte der Bundeswehr. Betroffen sei eine Fläche von 50 Hektar, die zum Teil aber nur verraucht sind. Doch die auf dem Platz gelagerte Munition sei eine große Herausforderung, heißt es. Erst am frühen Donnerstagabend konnte die Feuerwehr deshalb mit den Löscharbeiten beginnen. Allerdings lediglich innerhalb einer Sicherheitszone mit 1000 Metern Abstand zum Brandherd - zu gefährlich ist der Einsatz aufgrund von immer wieder neuen Explosionen und umherfliegenden Trümmerteilen.

Würden die Feuerwehrleute das Gebiet betreten, bestünde für sie wohl akute Lebensgefahr. "Der Sperrkreis von 1000 Metern bleibt bestehen. Aber es ist möglich, dass wir als Feuerwehr jetzt in gewissen Bereichen bis auf 500 Meter tätig werden können", sagt ein Sprecher der Berliner Feuerwehr. "Das heißt, die Löscharbeiten sind zum Teil schon angelaufen." Die Lage sei dennoch unübersichtlich, am frühen Abend ist es auf dem Sprengplatz der Polizei erneut zu Explosionen gekommen. Der Einsatz eines ferngesteuerten Spezialroboters der Bundeswehr musste daraufhin abgebrochen werden. Auch anschließend habe es noch mehrere Detonationen gegeben.

Großfeuer in Berlin: Die Luftaufnahme der Berliner Feuerwehr zeigt den Brand von oben. Die Fläche ist mit 1,5 Hektar relativ klein, es besteht aber die Gefahr weiterer Explosionen.

Die Luftaufnahme der Berliner Feuerwehr zeigt den Brand von oben. Die Fläche ist mit 1,5 Hektar relativ klein, es besteht aber die Gefahr weiterer Explosionen.

(Foto: dpa)

Der Brand werde die Einsatzkräfte möglicherweise noch die nächsten Tage beschäftigen. "Aber wir werden das Feuer löschen." Der Einsatz eines Löschhubschraubers sei über dem munitionsbelastetem Gebiet jedoch nicht sinnvoll. Der Helikopter müsste so hoch fliegen, dass er dann aus der Luft nicht ausreichend löschen könne. Es müsse auch verhindert werden, dass Munition "den Hubschrauber vom Himmel holt", erklärt ein Brigadegeneral.

Derweil breitet sich das Feuer weiter ringförmig aus, so heißt es von der Feuerwehr. Das Einzige, was sie derzeit tun kann, um zu verhindern, dass die Flammen weiter um sich greifen, ist die angrenzenden Waldgebiete zu bewässern. Denn zu der gefährlichen Munition kommt die Trockenheit erschwerend hinzu. Immerhin: Für Freitagnachmittag sind Schauer vorhergesagt.

Auf Twitter fragen sie bereits, ob es in Zeiten der großen Hitze klug ist, in einem Ort mitten im Wald ein Lager mit riesigen Mengen von Munition einzurichten. Den Sprengplatz im Grunewald gibt es bereits seit 1950, zweimal im Jahr werden hier jeweils für mehrere Tage kontrollierte Sprengungen angesetzt. Am Nachmittag kündigt Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey an, über den Standort reden zu wollen. "Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir in Zukunft mit diesem Sprengplatz umgehen und ob auf Berliner Stadtgebiet ein solcher Ort der richtige ist." Im Moment sei sie aber vor allem froh, "dass hier keine Wohnbebauung im näheren Umfeld ist und wir niemandem evakuieren müssen".

Straßen wurden gesperrt, Beeinträchtigungen gibt es auch im Bahnverkehr

Dafür werden mehrere Straßen wegen des Brandes gesperrt, darunter die Autobahn A 115 mit der alten Rennstrecke Avus, eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen in der Hauptstadt, über die im Berufsverkehr normalerweise Zehntausende Autos aus Brandenburg in den Westteil Berlins fahren. Beeinträchtigungen gibt es auch im Bahnverkehr. Die Bahn teilt auf ihrer Internetseite mit, dass sowohl der Regional- als auch der Fernverkehr unterbrochen sind.

Die Feuerwehr warnt derweil die Bevölkerung davor, den Grunewald zu betreten. Das Gebiet ist großräumig abgesperrt. Bewohner in den umliegenden Vierteln sollen Fenster und Türen geschlossen halten, außerdem Lüftungen und Klimaanlagen abschalten. Es bestehe allerdings kein unmittelbares Risiko, dass das Feuer auf Häuser übergreife, denn die nächsten Wohngebäude seien mindestens zwei Kilometer entfernt.

Großfeuer in Berlin: Polizisten machen sich bereit, um gegebenenfalls zu räumen. Die Feuerwehr warnt davor, den Grunewald zu betreten.

Polizisten machen sich bereit, um gegebenenfalls zu räumen. Die Feuerwehr warnt davor, den Grunewald zu betreten.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Zuerst, so sagt Anwohnerin Stolzenberg, sei sie besorgt gewesen. Sie habe auch gemerkt, dass ihre Nachbarn "immer unruhiger" geworden seien. Von ihrer Wohnung aus habe sie nichts von den Explosionen oder dem Feuer sehen können. Erst nicht einordnen zu können, was da vor sich ging - eine Gasexplosion, ein Feuerwerk, ein Terroranschlag gar? -, das sei belastend gewesen.

Irgendwann seien dann die Meldungen gekommen, im Radio und auf den Nachrichtenseiten der Zeitungen, erzählt Stolzenberg. "Da merkt man, dass man besser mit der Situation umgehen kann, wenn man weiß, was es ist."

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