Wenn man etwas sicher über die Zukunft sagen kann, dann dieses: In irgendeinem Berliner Freibad wird im Sommer randaliert werden. Das war schon in allen vergangenen Jahren so, zuletzt 2023, als Jugendliche und junge Männer im Columbiabad mit dem Sicherheitsdienst dermaßen aneinandergerieten, dass das Schwimmbad kurzzeitig geschlossen werden musste. Kleine oder größere Auseinandersetzungen am Beckenrand gehören zum Berliner Freibadsommer wie Pommes rot-weiß. Neu war im vergangenen Jahr allerdings die Wucht der Reaktionen auf die Vorfälle in Berlin. Selbst der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz schaute auf diese Stadt und fand, dass an „mehr Polizeipräsenz in den Freibädern nichts vorbeiführen“ werde.
Neu sind auch einige Maßnahmen, mit denen sich Berlin für den nun bevorstehenden Badesommer rüstet. Anfang Mai trat bei der alljährlichen Pressekonferenz zur Saisoneröffnung die Berliner Innensenatorin höchstpersönlich auf und stellte geplante Sicherheitsmaßnahmen vor. Die Ausweispflicht etwa. Wer künftig in ein Berliner Sommerbad will, muss sich ausweisen wie auf dem Flughafen oder bei einer Polizeikontrolle. Mit einem amtlichen Dokument wie Pass, Personalausweis oder Führerschein – und zwar im Original. Eine Kopie oder ein Foto auf dem Handy gelten nicht. Dies sei, heißt es aus der Senatsverwaltung, eine Maßnahme, um „für eine nachhaltige Sicherheit“ in den Freibädern zu sorgen.
Viele wussten nichts von der Ausweispflicht – oder hatten keine Lust darauf
Die Ausweispflicht hatte man schon im vergangenen Sommer nach den Gewaltvorfällen verhängt. Die Reaktionen waren, vorsichtig formuliert, gemischt. Da waren all die Badegäste, die entweder nichts von der Ausweispflicht wussten oder nicht einsahen, warum sie ihren Reisepass ins Schwimmbad mitnehmen sollten, die Berliner Bäder sind neben den jährlichen Auseinandersetzungen unter Jugendlichen schließlich auch dafür bekannt, dass dort immer wieder Schließfächer aufgebrochen und Dinge geklaut werden. Sie wurden allesamt nicht ins Schwimmbad gelassen. Und dann waren da noch die Politiker aus den Oppositionsparteien, die sich fragten, inwiefern das Zeigen eines Ausweises Jugendgewalt eindämmen kann. Und zwar so, dass sich die Bäderbetriebe in Absprache mit dem Senat ein zweites Jahr für die umstrittene Pflicht entscheiden.
Diesen Zweiflern halten die Berliner Bäderbetriebe entgegen, dass ein amtliches Dokument im Fall des Falles dazu beitragen könne, ein Hausverbot gegen Badegäste auszusprechen oder jemanden anzuzeigen. Die Ausweispflicht sei „zielführend“, die überwiegende Mehrheit der Badenden habe sie akzeptiert. Genauere Informationen darüber, ob die Ausweispflicht im vergangenen Sommer weitere Ausschreitungen verhinderte, haben die Berliner Bäderbetriebe nicht. Auf Anfrage heißt es nur, dass man 2023 mehr Hausverbote und Strafanzeigen ausgesprochen habe als sonst. Ob diese darauf zurückzuführen seien, dass die Security schneller zur Stelle war oder die Badegäste sich schlechter benahmen, sei unklar.
Zäune, Kameras, Personal: Kostet alles Millionen Euro
Insgesamt kamen im Sommer 2023 auf 1,5 Millionen Badegäste 163 Hausverbote und 155 Strafanzeigen. Im Vergleich zu anderen Missständen in Berlin sind diese Zahlen nicht alarmierend. Der Berliner Senat will dennoch an den Sicherheitsmaßnahmen festhalten, die mehrere Millionen Euro kosten. Dazu gehören auch mehr Sicherheitsleute, höhere Zäune und die Videoüberwachung in einzelnen Freibädern.
Allerdings sei klar, dass Ursachen von Gewalt „nur mit einem ganzheitlichen Ansatz zu beheben“ seien, sagt Innensenatorin Iris Spranger (SPD) auf Anfrage der SZ. Deswegen habe man auch an Angeboten für Jugendliche gearbeitet. In einigen Freibädern soll es diesen Sommer demnach betreute Aktivitäten wie Streetball, Beachvolleyball oder Tischtennis geben, „um Frustrationstoleranz und Fairness“ zu schulen.
Die Frustrationstoleranz der Berliner Badegäste wird indessen schon jetzt aus anderen Gründen auf die Probe gestellt. So bleiben drei Freibäder wegen Renovierungsmaßnahmen den ganzen Sommer über geschlossen. Und im berühmten Kreuzberger Prinzenbad sind bis mindestens Ende Juni mehrere Becken wegen Bauarbeiten im Pumpenkeller gesperrt. Immerhin kann man dort dann auch nicht randalieren.