Berlin:Drogen nur in der rosa Zone, bitte!

Berlin: Rein optisch tragen die Striche nicht zur Attraktivität des Parks bei. Noch größer ist aber die Aufregung über die Idee dahinter.

Rein optisch tragen die Striche nicht zur Attraktivität des Parks bei. Noch größer ist aber die Aufregung über die Idee dahinter.

(Foto: Michael Sohn/AP)

Um die Dealer im Görlitzer Park in den Griff zu kriegen, will der Parkmanager ihnen nun farbige Standplätze zuweisen. Das führt zu starken Protesten. Selbst die Bundesdrogenbeauftragte Mortler schaltete sich ein.

Von Julian Erbersdobler, Berlin

Wer an einem Donnerstagabend Richtung Görlitzer Park läuft, muss schon unterwegs ungefähr achtmal freundlich den Kopf schütteln. Die Fragen wiederholen sich: Bro, do you want some weed? Bruder, leckeres Gras? Marihuana, my friend? Ein Radfahrer, höchstens 25, ist schon versorgt. Er wartet auf seinem Vintage-Bike an der Ampel und zieht an einem Joint. Eine spanische Touristin hält ihm die Kamera vors Gesicht, drückt den Auslöser, lacht und sagt: "That's Berlin."

Ist das Berlin? In dieser Woche war der Görlitzer Park mal wieder in den Schlagzeilen. Und mit ihm die Hauptstadt als Ganze. "Berlin hat kapituliert", schrieb die BZ und bezog sich auf die Meldung, dass es jetzt an einem der Eingänge des Parks ausgewiesene Standplätze für Dealer geben soll. Es sind rosa Striche, die der Parkmanager Cengiz Demirci provisorisch auf den Gehweg gemalt hat. So will er verhindern, dass Dealer die Parkbesucher bedrängen. Den Parkmanager im Görlitzer Park gibt es seit 2016, er soll den durch offenen Drogenhandel in Verruf geratenen "Görli" wieder attraktiver machen.

Optisch tragen die neuen Kennzeichnungen nicht dazu bei, sie sehen aus wie Schmierereien von Kindern. Ein paar Kippenstummel und Kronkorken liegen in den Zonen, aber sonst hält sich niemand an die Linien. Die Dealer erst recht nicht.

Markierungen ohne vorherige Absprache

Dazu kommt, dass Demirci malte, ohne vorher mit dem zuständige Bezirksamt Kreuzberg-Friedrichshain zu sprechen. Seither empören sich Berliner Politiker, vor allem aus CDU und FDP, aber auch Grünen-Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann findet, Demircis Idee spiegele in keiner Weise Pläne des Bezirks wider. Sogar die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) schaltete sich ein. Man dürfe den Dealern keinen "Freibrief zum Handeln" erteilen, sagte sie, und sprach von einer "Kapitulation des Rechtsstaates". Das Entsetzen ist mittlerweile so groß, dass eigentlich niemand mehr über die Frage spricht, um die es gehen müsste: Gibt es bessere Vorschläge als den des Parkmanagers?

Berlin und der Görlitzer Park, das ist auch ein ewiges Hin und Her. 2015 führte der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) die Null-Toleranz-Regel ein. Konsumenten und Händler konnten dadurch schon bei einer geringen Menge strafrechtlich verfolgt werden. Die Folge: Sie wichen auf andere Parks, Straßen und Stadtteile aus. 2017 hob der rot-rot-grüne Senat die Verordnung wieder auf. Alles auf Anfang. Zwischenzeitlich war auch mal ein Coffee-Shop im Gespräch, in dem legal und kontrolliert Cannabis verkauft werden sollte. Jedenfalls: Im Görlitzer Park leben seit Jahren zwei Gruppen nebeneinander her. Die Dealer - und alle anderen.

Donnerstagabend, 19 Uhr, Görlitzer Park. Zwei Briten mit Sonnenbrillen unterhalten sich über die verrückten Halbfinals in der Champions League. Ein Radfahrer, schwäbelt ins Handy, dass er bald kein Datenvolumen mehr haben werde. Zwei junge Frauen tragen ihre teuren Rucksäcke spazieren. Sie alle halten sich mitten im Park auf. Die Dealer warten an den Eingängen am Rand auf Kundschaft, tragen bei sonnigen 17 Grad Winterjacken, Parkas, Mützen, Caps, dazu Kopfhörer. Nach Angaben der Polizei kommen die meisten Dealer aus west- oder zentralafrikanischen Ländern. Manche sind einsichtig, lassen einen in Ruhe, wenn sie merken, dass man nichts kaufen will. Andere laufen zehn Meter hinterher, wie Straßenverkäufer auf einem Bazar. Nur bieten sie keine gefälschten Trikots von Ronaldo an, sondern Gras.

"Die Polizei hat das nicht im Griff", so Malik

Malik ist nicht gut auf die Dealer zu sprechen, ein Mann mit müden Augen und kurzen, schwarzen Haaren. Er betreibt einen Späti ganz in der Nähe des Parks, verkauft Bier, Schnaps, Schokoriegel. Manchmal, erzählt Malik, sitzt einer von denen vor seinem Laden und spricht Leute an. "Die Polizei hat das nicht im Griff", sagt er. Dann knipst er die Beleuchtung für das Alkoholregal an.

Malik kommt aus dem Irak und heißt eigentlich anders, seinen richtigen Namen will er lieber nicht in der Zeitung lesen. Einmal haben Randalierer das Werbeschild vor seinem Laden beschädigt. Seine Tochter, 21, hilft am Wochenende manchmal aus, aber nur am Tag. Die Nachtschichten übernimmt er, "zu gefährlich" für das Kind.

Von den Dealerzonen im Görlitzer Park hat er noch nichts gehört. Vielleicht auch egal: Die Farbe auf dem Boden ist nicht wasserfest, hat das Bezirksamt nun mitgeteilt. Wenn es regnet, löst sie sich wieder auf. Vielleicht verschwindet mit ihr auch die Empörung.

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