Berlin:98-Jähriger wollte Ehefrau töten

Berlins ältester Angeklagter steht vor Gericht. Sein halbes Leben verbrachte er mit seiner Ehefrau - und versuchte unvermittelt, die Partnerin umzubringen.

Im Rollstuhl, mit senfgelber Jacke und schwarzer Baseballkappe - so wird Berlins ältester Angeklagter am Donnerstag in den Gerichtssaal geschoben. Seine Tochter sitzt dicht neben ihm. Klar bestätigt der 98-Jährige seine Personalien. Dann schließt das Berliner Landgericht die Zuschauer bis zum Urteil aus. Dem Rentner wird versuchter Totschlag vorgeworfen. "Der Angeklagte ist geständig, er stellt sich dem Verfahren", sagt seine Anwältin auf dem Gerichtsflur.

Ihr Mandant habe sich umbringen und seine 24 Jahre jüngere Frau mitnehmen wollen. "Weißt du, wir wollen doch beide nicht mehr leben", soll der hochbetagte Mann am 12. Juni 2010 gesagt haben, bevor er nach 52-jähriger Ehe auf seine Frau schoss. Auch bei seiner Tochter soll der Rentner angedeutet habe, dass er sich wegen seiner körperlichen Leiden das Leben nehmen könnte.

Die 74 Jahre alte Ehefrau soll am nächsten Prozesstag vernommen werden. Sie hatte in der gemeinsamen Wohnung das Frühstück bereitet, als es plötzlich laut knallte. Die Schreckschusswaffe fügte der Frau ein Knalltrauma zu. "Er dreht durch, er will uns umbringen", alarmierte sie die Tochter am Telefon. Als der Schuss keine Wirkung zeigte, griff der Angeklagte zu einer Baseballkeule und schlug mehrmals zu. Mit einem Messer verletzte er seine Frau schließlich an Hals und Hand.

Als er dachte, sie sei tot, wollte sich der Berliner die Pulsader aufschneiden. Die Tochter hatte die Polizei alarmiert. Mit einer stark blutenden Kopfplatzwunde, Hämatomen und leichten Schnittverletzungen kam die Mutter in eine Klinik.

Auch ihr Mann wurde in eine Klinik gebracht und danach im Haftkrankenhaus des Maßregelvollzugs untergebracht.

Nach Angaben eines Gerichtssprechers geht die Staatsanwaltschaft nach wie vor von Selbstmord-Absichten des 98-Jährigen aus. Einem Pressebericht zufolge hatte er vor zwei Monaten versucht, sich im Haftkrankenhaus mit Tabletten zu vergiften. Der Mann leidet seit Jahren an Asthma und einer Nierenerkrankung. Deswegen musste er drei Mal wöchentlich zur Dialyse.

Zeugen waren für den ersten Termin nicht geladen. Offenbar war unklar, wie der betagte Mann den Prozess verkraften würde. Nach Angaben eines Verfahrensbeteiligten hatte der Angeklagte beim Auftakt einen guten Tag. Er habe mit klarer Stimme und in zusammenhängenden Sätzen gesprochen.

Das Rollbett, das in den Gerichtssaal geschoben worden war, blieb ungenutzt.

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