Stilkritik:Der Beijing Bikini

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Der Beijing Bikini - ein Kleidungs-Politikum für den Mann. (Foto: Anagoria/Wiki Commons (CC BY-SA 3.0 DE))

Freiheit dem Schwabbel - und warum auch nicht, wenn es sehr heiß ist. Doch nun ist die chinesische Unterhemdenuntergrundmode in Gefahr.

Von Titus Arnu

Es ist angeblich seit Jahren ein fetter Trend: Der "Dad Bod" genannte Bauch ist Sympathieträger geworden. Mehr noch: Der kugelig-kuschelige Papa-Körper soll auf einmal sexy sein. Früher nannte man den Dad Bod abschätzig Schmerbauch, Wampe oder Fettwanst, er war eher das Gegenteil eines Schönheitsideals, besonders wenn er in einem Feinripp-Unterhemd oder einem T-Shirt mit der Aufschrift "Bier formte diesen Körper" steckte. Und nun gilt die Kugel als cool? Warum eigentlich? Die Plauze als Sexsymbol, das scheint eine eher unrunde These zu sein.

Das ästhetische Problem offenbart sich besonders bei hohen Temperaturen. Je heißer es wird, desto uncooler der Dad Bod, denn was da ans Tageslicht schwabbelt, ist eher unsexy. Manche Männer krempeln gar ihr T-Shirt hoch und klemmen es unter die Achseln, um die Wampe zu belüften. Ein Teil des Hemds wird dabei zusammengerollt auf dem Bauch abgelegt. Das mag für die schwitzenden Männer erleichternd sein, für die Betrachter ist es belastend. In China ist diese modisch äußerst fragwürdige Sommer-Tracht so allgegenwärtig, dass sie über die Landesgrenzen hinaus als "Beijing Bikini" bekannt ist.

Doch nun ist die chinesische Unterhemdenuntergrundmode in Gefahr. Die Behörden der Stadt Jinan wollen das "unzivilisierte Verhalten" ihrer älteren männlichen Bikini-Träger streng tadeln, vorerst nur mit mündlichen Verwarnungen. In Tianjin, einer Hafenstadt bei Peking, sind bis zu 30 Euro Bußgeld für das Entblößen des Bierbauchs fällig. Der traditionellen chinesischen Medizin zufolge soll das Lüften der Plauze gut für die inneren Organe sein - das Chi fließt dann einfach viel freier. Doch einem anderen Organ schadet der Beijing Bikini ganz sicher: dem Auge.

Deutsche Männer, die beim Rasenmähen, im Fußballstadion oder beim Fahrradfahren stolz ihre nackten Kugelbäuche präsentieren, können eigentlich froh sein, dass es hierzulande keine vergleichbaren Geschmacksvorschriften gibt. Falls es doch mal so weit kommt, dass die Oben-Ohne-Mode für Männer im öffentlichen Raum verboten wird, wofür aus Gründen der Ästhetik einiges spricht, könnten sie sich auf Goleo und Pu (den Bären) berufen. Das Maskottchen der Fußball-WM 2006 und der sprechende Bär tragen beide zu kurze Oberteile, unter denen ein kleiner Kugelbauch hervorschaut. Halt, Moment mal - diese beiden Dad Bods taugen doch nicht als Stil-Ikonen für den Männeralltag. Sie tragen keine Hosen.

© SZ vom 09.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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