Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Achtung, Text mit Nebenwirkung

Forscher der Saar-Uni arbeiten derzeit an Beipackzetteln, die weniger ausschweifend und kompliziert formuliert sind. Dieser Text kann dagegen zu tränenden Augen und Drehschwindel führen.

Von Martin Zips

Beipackzettel wirken auf das zentrale Nervensystem und sind mittel bis stark wirksame Gebrauchsinformationen zur Behandlung von Beschwerden. Falls vom Arzt nicht anders verordnet, nehmen Sie den Beipackzettel aus dem Umkarton mit Blisterpackung und entfalten ihn. Sollte der vorhandene Raum zur Entfaltung nicht ausreichen, öffnen Sie die Tür zum Nebenraum.

Die empfohlene Tagesdosis von ein bis zwei Beipackzetteln sollte nicht überschritten werden. Angesichts der zu bewältigenden Textmenge kann es zu Nebenwirkungen wie Angst (häufig), Hautreizungen (gelegentlich) sowie Kreislaufversagen (selten) kommen. Bei 1 bis 10 Behandelten von 100 wurde infolge zu klein gedruckter Buchstaben Kopfschmerz und Würgereiz beobachtet. Bei 1 bis 10 Behandelten von 1000 kam es wegen unverständlich formulierter Texte zu Pupillenverengung und Drehschwindel. Bei 1 bis 10 Behandelten von 10 000 kam es wegen nicht gegenderter Formulierungen zu Erbrechen und Mundtrockenheit.

Beim Versuch, Beipackzettel wieder in ihre Ursprungsform zu falten und zurück in die Verpackung zu stopfen, kam es bei 10 von 10 Behandelten zu Ohrgeräuschen, Panikattacken und Herzrasen. Sollte eine dieser Beschwerden bei Ihnen auftreten, bedienen Sie keine gefährlichen Maschinen. Suchen Sie unverzüglich die Saar-Uni in Saarbrücken auf, wo ein Expertenteam an der Neugestaltung von Beipackzetteln mit simpleren Formulierungen, weniger Papier und einem QR-Code für Freunde der Langfassung arbeitet.

Sollten Sie diesen Text hier nicht verstanden haben, falten Sie die Chefredaktion zusammen, werfen sich ein paar oblongförmige Retard-Tabletten mit beidseitiger Bruchrille ein oder schreiben Sie dem Autor. Vor allem: Bitte bleiben Sie gesund!

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