Behörden in sozialen Netzwerken:Eins, zwei, hier twittert die Polizei

Infos zu Demonstrationen, Verkehrsmeldungen und die Suche nach Zeugen: Immer mehr Polizei-Inspektionen nutzen Twitter. Dafür gibt es - wie immer im Netz - Kritik, Häme und Datenschutzbedenken. Doch die Behörden sind mit den Reaktionen ganz zufrieden.

Von Oliver Klasen

Die Beamten, die unter @polizeiberlin twittern, tun das noch nicht sehr lange. Erst seit vergangener Woche hat die Berliner Polizei einen offiziellen Account bei dem Kurznachrichtendienst, am Wochenende wurde erstmals von einem größeren Einsatz getwittert. Eine Demonstration linker Aktivisten im Stadtteil Moabit, bei dem die Polizei Hinweise zur Route der Kundgebung gab und Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern begrüßte.

14 Tweets wurden inzwischen über @polizeiberlin abgesetzt, über den zweiten Account @PolizeiBerlin_E, der nur bei größeren Einsätzen genutzt wird, sind es 17 Tweets. Die Berliner Polizei ist also noch Twitter-Anfänger. Deshalb fühlte sich Christopher Lauer, der Chef der Berliner Piraten, wohl bemüßigt, ein paar Tipps zu geben, wie man richtig agiert in diesem sozialen Netzwerk. Denn wenn die Piraten eines können, dann richtig twittern.

Den Vorschlag mit den Kürzeln hinter den Tweets hat die Berliner Polizei sofort aufgegriffen. Und auch sprachlich kommen die Beamten offenbar gut zurecht mit der neuen Kommunikationsform. Die meisten Tweets sind klar formuliert, vielleicht ist die Begrenzung auf 140 Zeichen eine gute Übung, um sich das Polizeideutsch abzutrainieren.

"Wir wollen mit Twitter unser Angebot der eigenen Öffentlichkeitsarbeit erweitern und beabsichtigen mit dem Engagement auf Twitter, uns als moderne und transparente Polizei zu präsentieren" heißt es - in diesem Fall nicht ganz frei von Polizeideutsch - in einer Pressemitteilung des Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt.

Mehr als 2600 Follower bei @polizeiberlin

Kandt, der derzeit auch den Internetauftritt und die Facebook-Präsenz der Berliner Polizei überarbeiten lässt, will das Engagement in den sozialen Medien der Berliner Morgenpost zufolge ausweiten. So kann er sich rund um den 1. Mai, wenn in Berlin wie in jedem Jahr eine Großdemonstration linker Aktivisten geplant ist, eine "einsatzbegleitende Kommunikation" vorstellen, damit es gar nicht erst zu "Fehlinformationen oder Gerüchten" kommen könne.

Ein Team von vier Beamten um Polizeisprecher Stefan Redlich wird sich künftig um die Twitter-Präsenz kümmern. Nutzen will die Berliner Polizei ihre beiden Accounts zum Beispiel um Pressemitteilungen zu verlinken oder für die Suche nach Zeugen bei Verkehrsunfällen. Bei größeren Veranstaltungen oder Demonstrationen soll es Hinweise zu Ablauf, zu Anfahrtsrouten und zu eventuellen Verkehrsbehinderungen geben und schließlich will die Berliner Polizei auch Tweets und Fotos von besonders interessanten Einsatzorten in die Welt schicken.

Auch wenn es ein bisschen Häme über die twitternde Polizei gibt, inzwischen hat @polizeiberlin innerhalb weniger Tage mehr als 2600 Follower. In anderen Städten hat die Polizei schon mehr Erfahrung. So nutzen die Beamten in Kaiserslautern Twitter bereits seit Herbst 2012. Dort wird es bisher ausschließlich bei Heimspielen des 1. FC Kaiserslautern eingesetzt, um Fans anzusprechen, die anders nicht gut erreichbar sind.

"Viele Fußballfans, die von Polizeimaßnahmen betroffen sind, fühlten sich früher nicht ausreichend informiert", sagt Polizeisprecher Thomas Kossurok, der für den Twitter-Account verantwortlich ist. Wer an einer Absperrung stehe und wisse, warum er dort nicht durchgelassen werde, sei meist verständnisvoller gegenüber den Polizisten. Insofern sei die Twitter-Präsenz auch ein Beitrag zur Gewaltprävention. Selbst aus dem Milieu der sogenannten Ultras, die ansonsten der Polizei eher reserviert gegenüberständen, habe man positive Rückmeldungen bekommen. "Twitter hat da eine enorme, vor allem atmosphärische Verbesserung gebracht. Und selbst diejenigen, die nicht zur Fußballszene zählen, sind sehr interessiert, vor allem an den Verkehrsmeldungen", sagt Kossurok.

"Wir dürfen uns diesem Medium nicht verschließen"

Künftig sei geplant, den Twitter-Account auch bei anderen Einsätzen zu nutzen. Kollegen hätten etwa beim "Rock am Ring"-Festival in der Eifel gute Erfahrungen damit gemacht. Allerdings werde man, so Kaiserslauterns Polizeisprecher Kossurok, in Rheinland-Pfalz in Absprache mit dem Datenschutzbeauftragten des Landes keine personenbezogenen Fahndungen via Twitter ausschreiben. Denn dann liegen die Daten auf einem ausländischen Server, der nicht unter der Kontrolle der Polizei ist. Genau deshalb war die Polizei in Hannover kritisiert worden. Sie hatte über Facebook-Aufrufe nach Tatverdächtigen gesuch und zunächst auch einige Erfolge zu verzeichnen. Mittlerweile wurde die Fahndung über das soziale Netzwerk nach Kritik von Datenschützern aber wieder eingestellt.

Unter Netzaktivisten gibt es Kritik daran, dass die Polizei mit ihrer Twitter-Präsenz ein weiteres Instrument an die Hand bekommt, um die Deutungshoheit über umstrittene Einsätze zu erlangen und die Gegenöffentlichkeit der jeweils betroffenen Demonstranten zu schwächen. Abgesehen davon, dass gerade linke Aktivisten in der Regel sehr gut vernetzt sind und Twitter zum Teil seit Jahren nutzen, stellt sich dann allerdings die Frage, welche Breitenwirkung die polizeiliche Twitterei überhaupt hat. Selbst die Followerzahlen jener Polizei-Accounts, die schon länger in Betrieb sind, bewegen sich meist im niedrigen vierstelligen Bereich. Ohnehin gilt Twitter, im Gegensatz zu Facebook, in Deutschland als Netzwerk, das vor allem Firmen, Politiker und Medienmenschen nutzen. Wieviel (aktive) Nutzer der Kurznachrichtendienst hierzulande tatsächlich hat, ist schwer zu bestimmen.

"Wir dürfen uns diesem Medium trotzdem nicht verschließen", sagt Yvonne Hanske, Pressesprecherin bei der Polizei in Rostock, die seit knapp einem Jahr ebenfalls auf Twitter präsent ist. Dort wird über Veranstaltungen, Verkehrsbehinderungen und größere Einsätze informiert, zum Beispiel wenn ein Bombenblindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wird. Auch Links zu Fahndungsaufrufen und -videos sind zu sehen. Abgerundet wird das Ganze mit nicht immer ganz ernstgemeinten "kleinen Geschichten aus dem Alltag der Polizei", wie Hanske das nennt.

"Ach, die jetzt auch hier", solche Reaktionen habe es aus dem Netz schon gegeben. Anfangs hätten die Beamten ein bisschen gebraucht, um sich auch sprachlich anzupassen, aber inzwischen hätten sie ihren Stil gefunden, ohne sich allzusehr an die Zielgruppe anzubiedern, so Hanske. "Gerade jüngere Menschen erreicht man aber über die althergebrachten Medien heute kaum noch. Und alleine auf Fahndungsplakate an der Litfaßsäule zu setzen, ist auch nicht mehr zeitgemäß", so die Polizeisprecherin.

Vielleicht muss Piraten-Politiker Christopher Lauer noch ein paar Tipps geben, vielleicht muss auch noch etwas Zeit vergehen, bis sich die polizeiliche Twitter-Kommunikation etabliert hat und Fahndungsaufrufe in der eigenen Timeline genauso normal sind wie die Nachricht über das neue Album von Radiohead oder Links zu lustigen Katzenvideos.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: