Süddeutsche Zeitung

Baustellen-Unglück in Grevenbroich:Die Staatsanwaltschaft ermittelt

Nach dem Unfall auf einer Großbaustelle in Grevenbroich fahndet die Polizei nach der Unglücksursache. Drei Arbeiter waren ums Leben gekommen. Möglicherweise handelt es sich um fahrlässige Tötung.

Nach dem Tod von drei Monteuren bei den Bauarbeiten für das neue RWE-Braunkohlekraftwerk in Neurath hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen. Über 50 Beamte der nordrhein-westfälischen Polizei sowie Spezialkräfte des Landeskriminalamtes fahndeten am Freitag nach der Ursache des Unglücks.

Der Mönchengladbacher Oberstaatsanwalt Peter Aldenhoff sagte in Grevenbroich, es werde von den Ergebnissen der Ermittlungen und den Erkenntnissen der inzwischen eingeschalteten Gutachter abhängen, ob gegen bestimmte Personen Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet würden. Die Ursache des Unglücks sei aber noch völlig unklar.

Bei dem schweren Unglück auf einer der größten Baustellen Europas kamen nach Angaben der Behörden allerdings weniger Menschen ums Leben als zunächst befürchtet. Die mehr als 450 Tonnen schwere Stahlkonstruktion habe drei und nicht wie ursprünglich angenommen fünf Arbeiter mit in den Tod gerissen, berichtete der Einsatzleiter der Polizei, Dieter Höhbusch. In der Hektik der Rettungsarbeiten seien zwei der Toten doppelt gezählt worden. Sechs Personen wurden bei dem Unfall schwer verletzt. Doch schwebte am Freitag keiner von ihnen mehr in Lebensgefahr. Meldungen über einen Vermissten hätten sich nicht bestätigt.

Bei den Toten handelt es sich laut Polizei um zwei slowakische Staatsangehörige im Alter von 32 und 35 Jahren sowie einen 25-jährigen Tschechen. Auch die fünf verletzten Monteure stammten aus diesen Ländern. Darüber hinaus erlitt ein deutscher Sanitäter bei den Rettungsarbeiten einen Herzinfarkt.

Schadenshöhe noch offen

Der Unfall hatte sich am Donnerstag kurz nach 16.00 Uhr auf der Baustelle des neuen RWE-Braunkohlenkraftwerks Grevenbroich-Neurath ereignet. Als ein über 100 Tonnen schweres Stahlteil mit einem Spezialkran am Gerüst des Kraftwerkskessels befestigt werden sollte, brach aus noch ungeklärter Ursache die gesamte Unterkonstruktion ab. Mehr als 450 Tonnen Stahl stürzten in die Tiefe und töten drei der Monteure.

Geborgen werden konnten die Leichen aber bis zum Freitagnachmittag noch nicht. Denn nach wie vor drohten weitere Stahlteile auf die Unglücksstelle herabzustürzen. Eine der Leichen hing weithin sichtbar in 140 Meter Höhe im Baustellengerüst. Die Sicherungsleine des Monteurs hatte sich an einem Stahlträger verfangen. Eine weitere Leiche liege in 70 Meter Höhe, berichtete die Polizei. Der dritte Tote sei unter den Trümmern am Boden begraben. Erst nach der Sicherung der Unglücksstelle und der Bergung der Leichen könne mit der Klärung der Unglücksursache begonnen werden, hieß es.

An diesem Freitag sollen die Bergungsarbeiten weitergehen. "Die Sicherungsarbeiten für die Bergung werden vorbereitet, das ist alles sehr aufwendig", sagte ein Polizeisprecher in Düsseldorf. Statiker sowie ein Großaufgebot an Einsatzkräften von Polizei und Feuerwehr untersuchten die Unglücksstelle, die großräumig abgesperrt war. Die Rettungsarbeiten gestalteten sich sehr schwierig, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf (FDP). Um Erschütterungen zu vermeiden, seien Flüge über der Unglücksbaustelle verboten.

Eberhard Uhlig vom Kraftwerksbetreiber RWE Power betonte: "Wir sind mehr als betroffen über dieses Unglück, was so nicht hätte passieren dürfen." Zur Schadenshöhe konnte er noch keine Angaben machen. Doch werde das Unglück sicher zu Verzögerungen beim Bau des Kraftwerks führen.

Die ersten Meldungen über den verheerenden Unfall waren am Donnerstagnachmittag gegen 16.35 Uhr bei den Behörden eingegangen. Bereits um 16.44 Uhr waren erste Einsatzkräfte vor Ort, wie Landrat Dieter Patt berichtete. Gegen 16.52 Uhr trat der Krisenstab zusammen.

Kurz darauf wurde Katastrophenalarm ausgelöst, da zunächst überhaupt nicht absehbar war, wie viele Opfer das Unglück gefordert hatte. Rund 300 Einsatzkräfte von Feuerwehren und Rettungsdiensten sowie der Höhenrettung Düsseldorf wurden am Unglücksort zusammengezogen. Die umliegenden Krankenhäuser stellten zusätzliche Operationsteams bereit.

Die Ursache des Unfalls ist noch unklar. Bei den abgebrochenen Stahlträgern handelt es sich nach RWE-Angaben um eine sogenannte Seitenwandbandage, ein Teilstück eines Großkessels des Kraftwerks.

Die normale Arbeit auf einer der größten Baustellen Europas soll nach RWE-Angaben bis mindestens Montag ruhen. Der Energiekonzern errichtet dort derzeit das modernste Braunkohlenkraftwerk der Welt. Auf der Baustelle mit einer Fläche von etwa 50 Fußballfeldern arbeiten mehr als tausend Menschen.

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