Süddeutsche Zeitung

Bankfilialleiterin hilft armen Kunden:Ein weiblicher Robin Hood

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Sie wollte armen Bankkunden helfen und zweigte dafür Geld von fremden Konten ab. Nun lebt eine ehemalige Filialleiterin selbst in Armut.

Wenn man Geld geschenkt bekommt, freut man sich oder man lehnt dankend ab. Das funktioniert allerdings nur, wenn man von der großzügigen Spende erfährt. Mehrere Kunden einer Bank im Rheinland haben nicht geahnt, dass die Filialleiterin ihres Kreditinstituts ihre finanziellen Miseren mit einer mehr oder weniger großen Finanzspritze zu überbrücken versuchte.

Die ehemalige Filialleiterin sitzt jetzt wegen Veruntreuung in 117 Fällen vor Gericht in Bonn: Sie soll aus Mitleid über mehr als ein Jahr hinweg Geld von den Konten reicher Kunden auf die armer Kunden umgebucht haben. Insgesamt zweigte sie laut Anklage etwa 7,6 Millionen Euro ab, damit Bankkunden in Geldschwierigkeiten ihr Konto problemlos überziehen konnten, ohne dass sie es wussten.

Bis zu vier Jahre Haft

Der Frau droht laut Gerichtssprecher im Höchstfall eine Gefängnisstrafe von vier Jahren. 14 Monate lang soll die Filialleiterin ihr Umbuchungssystem betrieben haben, ohne dabei auch nur einen Cent in die eigene Tasche zu stecken. Ihr Ziel sei es gewesen, sich das Geld reicherer Kunden für den Zeitraum zu leihen, in dem die Überziehungslisten der Bank geprüft wurden. Damit Kunden, die stets in den Miesen waren, nicht auffielen, buchte sie laut Anklage in den Prüfungszeiträumen das Geld reicherer Kunden auf die überzogenen Konten um. Nachdem die Prüfung vorbei war, überwies sie das Geld wieder zurück.

Allerdings klappte das nicht immer problemlos: Weil einige der Kunden so stark im Minus waren, war eine Rückbuchung teilweise nicht mehr möglich. Insgesamt konnte sie den Ermittlungen zufolge nur 6,5 Millionen von den insgesamt 7,6 Millionen Euro wieder zurückbuchen.

Die 62-Jährige, die offenbar wie ein moderner Robin Hood handelte, hat sich laut Gerichtssprecher bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Weil die Bank sie für den Schaden von 1,1 Millionen Euro in Haftung nahm, lebt sie Berichten zufolge nun selbst in Armut. Derzeit erhalte seine Mandantin nur eine kleine Frührente, die bis auf das Existenzminimum gepfändet werde, sagte ihr Anwalt Thomas Ohm. Sie lebt mit ihrer kranken Mutter zusammen in einer kleinen Wohnung.

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