Libanon:Ein Land feiert eine Bankräuberin

Lesezeit: 2 min

Die Libanesin Sali Hafez stürmte eine Beiruter Bankfiliale, um an ihr erspartes Geld zu kommen. (Foto: Hussein Malla/AP)

Sally Hafez wollte nur an ihre Ersparnisse kommen. Sie ist nicht die Erste, die so etwas tut - Libanon steckt in der tiefsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte.

Von Dunja Ramadan

Eine junge Frau steht auf dem Tisch einer Beiruter Bankfiliale, in ihrer schwarzen Hose steckt eine Pistole. Die Libanesin Sali Hafez überfällt gerade eine Bank und überträgt das live auf Facebook. Denn das hier ist kein typischer Banküberfall: Hafez, 28, will nicht so viel Geld wie nur möglich erbeuten, sie will ihre eigenen 13 000 US-Dollar, ihre Ersparnisse. Das ruft sie auch in die Kamera: "Nur so funktioniert das in diesem Land. Wir haben dieses Geld nicht geklaut, wir haben hart dafür gearbeitet." Sie habe zuvor versucht, auf legale Weise an das Geld zu kommen und sei von der Bank abgewiesen worden.

Bevor Sali Hafez am Mittwoch in die Bank stürmte, teilte sie das Bild ihrer Schwester auf Facebook: Zu sehen ist eine junge Frau im Krankenhausbett, die nur noch wenige Haare auf dem Kopf hat, neben ihr liegt ein kleines Mädchen. "Ich verspreche dir, du wirst ins Ausland reisen, behandelt werden und wieder auf eigenen Beinen stehen und deine Tochter erziehen. Selbst wenn es mich das Leben kostet", schrieb sie dazu. Ihre jüngere Schwester hat einen Gehirntumor, die Chemotherapie ist teuer. Deshalb überfällt Sali Hafez nun eine Bank.

Anleger haben in ihrer Heimat seit 2019 keinen freien Zugriff mehr auf ihr Bankguthaben, stattdessen gibt es strikte monatliche Limits. Libanon steckt seit drei Jahren in der größten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Schuld daran ist vor allem die jahrelange staatliche Korruption. Die libanesische Währung büßte 95 Prozent an Wert ein, Grundnahrungsmittelpreise sind um bis zu 600 Prozent gestiegen. Die große Mehrheit der sieben Millionen Einwohner lebt mittlerweile unter der Armutsgrenze. Wer kann, verlässt das Land. Oder überfällt eine Bank.

Die Bankräuber Hafez und Hussein werden in den sozialen Netzwerken als Helden gefeiert

Mitte August hatte der 42-jährige Bassam al-Sheikh Hussein eine Filiale im Beiruter Stadtviertel al-Hamra sieben Stunden lang besetzt und Geiseln gehalten, um an sein Erspartes zu kommen. Auch sein Vater liegt im Krankenhaus. Laut Medienberichten hatte der Mann 210 000 Dollar angespart, als ihm die Bank versprach 35 000 Dollar davon auszubezahlen, gab er auf. Zwar wurde er zunächst festgenommen, nach einem Hungerstreik aber bald wieder freigelassen. Zahlreichende Protestierende hatten sich für ihn eingesetzt.

Auch Bassam al-Sheikh Hussein hat eine Bank überfallen. Nun protestiert er gegen einen umstrittenen Gesetzesentwurf zur Kapitalverkehrskontrolle. (Foto: Bilal Hussein/dpa)

Hafez und Hussein werden in den sozialen Netzwerken nun als Helden gefeiert, doch ganz so einfach ist es nicht. Dem Fernsehsender Al Jadeed erklärte die 28-Jährige, wie sie mit sich gerungen habe. Eigentlich könne sie "keiner Ameise" etwas zu leide tun, doch ihre Schwester sterben zu sehen, habe sie zu diesem Schritt bewegt: "Die Bank hat uns öffentlich beklaut. Ich habe den Bankmanager angefleht. Ich habe nichts mehr zu verlieren, ich wollte sogar meine Niere verkaufen." Für die Behandlung ihrer Schwester fehlen nun noch 30 000 Dollar. In dem Interview entschuldigt sich Hafez auch bei allen Bankmitarbeitern, die Angst hatten. Es habe sich bei der Waffe allerdings nur um eine Spielzeugpistole ihres Neffen gehandelt.

Unterstützt wurde Hafez bei dem Überfall von der Gruppe "Depositors' Outcry" (zu Deutsch: der Aufschrei der Anleger), von denen nun einige festgenommen wurden. Die Bankräuberin selbst entkam laut Medienberichten durch ein Fenster auf der Rückseite der Beiruter Filiale, bevor die Sicherheitskräfte eintrafen. Offenbar ist sie nun auf der Flucht, auf Facebook schrieb sie: "Der ganze Staat steht unten vor meinem Haus. Ich bin am Flughafen, wir sehen uns in Istanbul. Ciao."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: