Bambi-Verleihung:"Bitte nicht ich!"

Zwischen Fernsehveteranen aus der ganz alten Bundesrepublik: Bei der Bambi-Verleihung 2015 wird auf besonders rührende Weise Weltflucht zelebriert.

Von Verena Mayer, Berlin

Otto ist auch da. Und wie. Als Otto Waalkes auf seine Otto-Art und mit dem zerzauselten Otto-Haar, das längst weiß und nicht mehr blond ist, über den Potsdamer Platz hüpft, werden die Schaulustigen das erste Mal richtig laut. Selbst die Teenies und jene Mittfünfzigerin, die bis dahin die Ankunft jedes TV-Sternchens entweder mit "Ach, die Alte" oder "Aha, das Luder" kommentiert hat, kreischen jetzt los und wollen Selfies.

Doch Otto muss hinein ins Stage-Theater, einen Bambi für Comedy entgegennehmen. Dort wird er sich nuschelnd mit Otto-Sprüchen dieser Art bedanken: "Sag einen Satz mit Lenin: Opa ist voll bis zum Rand, lehn' ihn an die Wand." Den meisten im Publikum wird man dabei ansehen, dass sie den Witz nicht verstehen, weil sie noch nie im Leben von Lenin gehört haben. Und doch werden Leute wie Sylvie Meis (das ist die Ex von Rafael van der Vaart) oder Mandy Capristo (das ist die Jetzt-Wieder von Mesut Özil) ein Grinsen aufsetzen. Auf den alten Mann mit den alten Witzen können sich alle einigen.

Es ist wieder Bambi-Verleihung, inzwischen die 67. Der Bambi war mal eine Fernseh-Auszeichnung, jetzt, wo alle Welt Serien auf Netflix oder Amazon streamt und sich von Youtubern um die 20 das Weltgeschehen erklären lässt, nennt man sich lieber Medienpreis. Wobei sich die Medienrealität zu diesem Medienpreis verhält wie das Jahr 2015 zur alten BRD. Aus der nämlich kommen die meisten Beteiligten auf die Bühne gestöckelt. Peter Weck, Grit Boettcher und Gaby Dohm zum Beispiel, die den Bambi für das Lebenswerk ankündigen.

Er geht an den Fernsehveteranen Wolfgang Rademann, der Serien wie "Das Traumschiff" und "Die Schwarzwaldklinik" produziert hat. Und als diesen Bambi dann noch Ruth Maria Kubitschek, die auch schon seit 1953 als Leinwandgesicht unterwegs ist, für ihren erkrankten Lebensgefährten entgegennimmt, wird klar, was der Bambi in diesem Jahr sein will: die Feier eines deutschen Vorgestern.

Darüber lässt sich natürlich gut lästern. Genau wie über die US-Schauspielerin Hilary Swank. Swank hat irgendwann mal zwei Oscars bekommen, ihr letzter großer Auftritt war 2011 in Tschetschenien, als sie dem Despoten Ramsan Kadyrow ein Geburtstagsständchen sang. Jetzt steht sie in Berlin auf der Bühne und bedankt sich minutenlang mit tränenerstickter Stimme für den Bambi als beste internationale Schauspielerin. Für ihre Leistung, so zu tun, als habe sie ein Leben lang auf einen Preis aus dem Münchner Burda-Verlag hingearbeitet, hätte sie das goldene Reh eigentlich auch noch in der Kategorie Schauspielerin National verdient. Das bekommt aber die junge Henriette Confurius, die ziemlich verwuschelt auf die Bühne stolpert und als erstes sagt: "Ich habe die ganze Zeit gedacht: Bitte nicht ich."

Andererseits: Die Weltflucht, die hier zur Hauptsendezeit zelebriert wird, hat schon fast etwas Rührendes im Vergleich zu dem, was sonst auf der Welt los ist. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der in der rätselhaften Kategorie "Millennium" für seine politische Arbeit ausgezeichnet wird, hat noch wenige Stunden zuvor über die Flüchtlingskrise gesprochen und diese in einem seither heftig kritisierten Vergleich als Lawine bezeichnet.

Davon ist beim Bambi keine Rede mehr, Schäuble nützt vielmehr die Zeit, um ebenfalls in die Vergangenheit abzuschweifen und daran zu erinnern, was vor 25 Jahren hier auf dem Potsdamer Platz war. Nichts nämlich, beziehungsweise die Mauer. "Wir sind ein tolles Land geworden, besser als wir selbst geglaubt haben."

Und sonst? SPD-Chef Sigmar Gabriel findet den Bambi den geeigneten Ort, um vor "rechten Spinnern" zu warnen und Verständnis für jene zu äußern, die sich sorgen, ihr Haus könne an Wert verlieren, wenn es neben einer Flüchtlingsunterkunft steht. "Wir dürfen die nicht alleine lassen, die gehören auch dazu." Den üblichen Bambi für "stille Helden" gibt es diesmal aber nicht. Der müsse an die Freiwilligen gehen, die in der Flüchtlingskrise helfen, so Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel. "Und dann müssten wir die Bambis mit dem Laster ankarren." Mehr zu bieten hat da schon Mesut Özil, der vom roten Teppich in die Welt hinaus instagramt, dass er jetzt wieder mit seiner Mandy zusammen ist.

Auf der Party danach sieht man die Schauspielerin Jessica Schwarz bis zum Morgen tanzen und ansonsten viele Frauen, die hauptberuflich entweder Gattin oder Klatschblatt-Reporterin sind. Dazwischen stelzen ein paar deutsche Models herum. Heidi Klum fällt einem ein, die sich für den Mode-Bambi auf gespenstisch überdrehte Weise bei ihrem Vater bedankte, indem sie ihm "Papa, du bist das beste Date!" zurief.

Bis man dann die beiden Männer hört, die sich bei Ochsenbäckchen und Champagner über Medien und Auflagen unterhalten. "Da werden bald einige Leute gehen müssen", sagen sie. Da ist sie wieder, die Realität.

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