Süddeutsche Zeitung

Bali und Corona:Züchtigung im Paradies

Wer auf Bali ohne Mund-Nasen-Schutz erwischt wird, muss eine Strafe zahlen - oder 50 Liegestütze machen.

Von David Pfeifer, Bangkok

Es hört sich an wie eine Maßregelung aus Turnvater Jahns Zeiten: Wer zu spät zum Training kommt, muss 20 Liegestütze machen, wer herummault, bekommt noch mal 20 drauf. Wer das für ulkig hält, hat noch nie einem indonesischen Polizisten in die verspiegelte Sonnenbrille geguckt.

Lachen wäre an dieser Stelle keine gute Idee. Das muss man wissen, wenn man auf Bali, was den Besucherinnen und Besuchern in den allermeisten Fällen als friedlich, freundlich und wunderschön erscheint, ohne Mund-Nasen-Schutz angehalten wird.

Mehrere Clips, die derzeit in sozialen Netzwerken kursieren, belegen, dass auch Fremde, die bei Verstößen gegen Covid-19-Verordnungen erwischt werden, und die erforderlichen 150 000 Rupien (etwa neun Euro) Strafe nicht zahlen können, dazu aufgefordert werden, stattdessen 50 Liegestütze zu machen.

Wenn der Schutz unter der Nase hängt, wie man es von nachlässigen Deutschen aus der Trambahn kennt, sind immerhin noch 15 Liegestütze fällig. Es soll auch schon vorgekommen sein, dass die Strafe in Kniebeugen umgewandelt wurde, weil der Täter oder die Täterin nicht fit genug war.

Die Europäer und die US-Amerikaner sind das Problem

Es ist eine Beobachtung, die man derzeit auch in Thailand machen kann: Wenn jemand ohne Maske im öffentlichen Raum herumspaziert, ist das fast nie ein Asiate. Dabei gelten vor allem Europäer und US-Amerikaner im südostasiatischen Raum als Virenschleudern: nicht nur, weil die Zahlen weiter steigen, sondern weil Europäer und US-Amerikaner offenbar widerwilliger auf die Wissenschaft und Autoritäten hören.

"Der Respekt davor, eine Maske zu tragen, ist bei ausländischen Touristen sehr gering ausgeprägt", sagte Gusti Agung Ketut Suryanegara, ein Polizist aus Bali, der Agentur AFP. 90 Prozent der Verwarnten seien Fremde, "zuerst sagen sie, dass sie die Regeln nicht kennen", führte Suryanegara aus, "dann sagen sie, sie hätten die Maske vergessen, sie sei nass geworden oder kaputt".

Wobei die Bezeichnungen Touristen oder Fremde nur bedingt greifen, denn nach Bali kommt derzeit eigentlich nur, wer ohnehin in Indonesien lebt. Der Inlandstourismus wurde stark beworben, Hotels sind teilweise absurd günstig, denn bis 8. Februar darf nur nach Bali reisen, wer ein Businessvisum oder einen Diplomatenpass besitzt und auf eigene Kosten eine Hotel-Quarantäne absolviert.

Vor Weihnachten wurde ein PCR-Test verpflichtend für eine Flugreise vorgeschrieben, das führte dazu, dass 133 000 gebuchte Flüge und entsprechend viele Hotels storniert wurden. Mittlerweile sieht man immer häufiger "Zu verkaufen"-Schilder in den Läden, einige Hotels haben ihren Betrieb eingestellt.

Die Empfindlichkeiten kommen nicht von ungefähr

Reisen auf der Insel ist ungehindert möglich, wenn man erst mal dort ist. Die meisten Sehenswürdigkeiten sind offen und wenig frequentiert. Eigentlich wäre Hochsaison, auch sonnensehnsüchtige Deutsche würden sich normalerweise in Ubud oder Kuta einfinden. Seit November vergangenen Jahres versucht die Regionalregierung, eine Sonderregelung in Jakarta zu beantragen, um internationalen Tourismus wieder möglich zu machen. Bislang ohne Erfolg.

Die Politiker in Jakarta stehen enorm unter Druck. Die Empfindlichkeiten kommen nicht von ungefähr. Die Ansteckungsraten in Bali sind niedrig, aber im gesamten Indonesien fast so hoch wie in Indien, etwa 860 000 Ansteckungen bei 25 000 Toten beklagt der Inselstaat, in dem 270 Millionen Menschen leben, seit Beginn der Pandemie. Die Regierung versucht, Corona nun mit einer Impfkampagne in den Griff zu bekommen.

Vergangenen Dienstag setzten die Behörden eine US-Amerikanerin fest, die seit einem Jahr auf Bali lebt und per Twitter unter dem Namen Kristen Gray nützliche Tipps gab, wie man trotz Einreiseverbot nach Bali gelangen könnte. Sie schwärmte von der Insel, weil man gerade nur 400 Dollar für ein schönes Haus zahlen müsste, im Vergleich zu den 1200 Dollar, die ihr Ein-Zimmer-Apartment in Los Angeles kostet. Außerdem lobte sie den "LGBTQ-freundlichen und unrassistischen Lifestyle".

Eigentlich Werbung für das gebeutelte Urlaubsparadies. Aber die Balinesen fühlten sich nicht geschmeichelt. Bevor ihr Twitter-Account stillgelegt wurde, hatten sich viele Einheimische direkt bei Gray beschwert und die Einwanderungsbehörden dazu aufgefordert, die Frau umgehend auszuweisen, berichtete das Online-Magazin Bali Sun.

In den vergangenen Tagen stiegen die Corona-Zahlen auf Bali wieder. Ein Ergebnis der inländischen Reisewelle zum Jahreswechsel. "Dennoch stehen wir im internationalen Vergleich ziemlich gut da", sagt ein Hotelier. Insgesamt aber sei man der Sache ziemlich überdrüssig. "Niemand mag mehr, selbst die Polizei nicht."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5184244
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/Bali/Corona/Indonesien/afis/muth
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.