Bahn-Eklat:Ein klarer Regelverstoß

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Zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen wurde ein Mädchen aus einem Zug gewiesen. Es ist nicht mangelndes Fingerspitzengefühl, sondern das Ignorieren klarer Anweisungen.

Jürgen Schmieder

Es ist der dritte Fall innerhalb weniger Wochen: Eine Schaffnerin verwies ein 14-jähriges Mädchen, das zur Schule unterwegs war, in Berlin-Albrechtshof des Zuges. Die Bahn reagierte konsterniert. "Das ist wieder ein Grund für uns, uns zu entschuldigen", sagte Bahnsprecher Achim Stauß zu sueddeutsche.de.

Deutsche Bahn: Direktiven werden offenbar von Schaffnern ignoriert. (Foto: Foto: dpa)

Nach zwei ähnlichen Fällen in den vergangenen Wochen muss man sich die Frage stellen, wie es zu dieser Häufung kommen kann. "Ich habe keine Erklärung dafür, wieso mehrere Fälle innerhalb kürzester Zeit passiert sind", sagte Stauß. "Es ist Anlass für uns, das in den Schulungen noch einmal gesondert anzusprechen."

Es wäre zu einfach, die Schuld allein bei den Schaffnern zu suchen. Wer häufig mit dem Zug unterwegs ist, weiß, wie oft den Beamten Lügen aufgetischt werden, wie oft sie beleidigt werden und wie wenig Respekt ihnen entgegengebracht wird. Es ist verständlich, dass Schaffner genervt sind von den andauernden Ausreden der Schwarzfahrer, von angeblich vergessenen Personalausweisen und gestohlenen Portemonnaies. Sie ärgern sich über Jugendliche, die - weil es für Kinder unter 16 Jahren keine Ausweispflicht gibt - falsche Personalien angeben und so einer Strafe entgehen. Es ist verständlich, dass sie keine Milde zeigen und sich strikt an die Regeln halten. Wer schwarzfährt, der muss bestraft werden, weil er eine Leistung in Anspruch nimmt und nicht für sie bezahlt - und damit die Allgemeinheit schädigt.

Es ist allerdings unverständlich, wie Schaffner offensichtlich eine Dienstanweisung der Deutschen Bahn ignorieren. Diese regelt den Umgang mit minderjährigen Schwarzfahrern, sie ist klar und unmissverständlich: "Kinder dürfen nicht zum Aussteigen aus dem Zug gezwungen werden." Dabei ist es völlig irrelevant, ob sich der Zug an einer gutbeleuchteten Haltestelle befindet oder - wie im ersten Fall - ein zwölfjähriges Kind des Zuges verwiesen wurde und danach mit einem Cello fünf Kilometer in der Dunkelheit nach Hause laufen musste.

Beim Fußball gibt es den Begriff des Fingerspitzengefühls. Er besagt, dass ein Schiedsrichter eine mildere Strafe ausspricht, obwohl die Regeln ein härteres Durchgreifen nahelegen würden. Für dieses Vorgehen werden Unparteiische häufig gelobt. Das wiederholte Verhalten der Bahnschaffner - die für den Bahngast da sein sollen - zeigt das genaue Gegenteil: Eine Dienstanweisung ohne Raum für Interpretation wird ignoriert und eine härtere Strafe ausgesprochen.

Man darf in diesem Fall also nicht von mangelndem Mitgefühl sprechen. Die Schaffner machen in diesem Fall nichts anderes als ein Schwarzfahrer: Sie verstoßen gegen Regeln.

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