Süddeutsche Zeitung

Badeunfälle:Tödlicher Übermut

  • Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Ertrunkenen in diesem Sommer gestiegen. Besonders häufig sind Männer betroffen.
  • Ursache ist auch das warme Wetter: mehr Menschen sind in deutschen Gewässern unterwegs als im Vorjahr. Der Sommer 2017 war vielerorts verregnet.
  • Häufige Gründe für Badeunfälle sind neben Missachtung geltender Baderegeln Übermut und Selbstüberschätzung.

Von Peter Burghardt

Ein Wochenende im deutschen Sommer 2018: Im Walchensee im Alpenvorland holen Taucher eine 76-jährige Münchnerin aus der Tiefe, sie stirbt im Krankenhaus. Im Tegernsee ertrinkt ein Mann aus Köln, 67 Jahre alt. Aus dem Drachensee in der Oberpfalz wird ein 41 Jahre alter Tscheche tot geborgen. Vor Haffkrug in Schleswig-Holstein versinken zwei Jugendliche in der Ostsee - für einen 17-Jährigen kommt die Hilfe zu spät, ein 19-Jähriger wird gerettet. Stunden danach treibt ein 38-jähriger Hamburger leblos im Meer.

Ständig machen in diesen heißen Wochen solche Meldungen die Runde. Schon bis zum 20. Juli waren in Deutschlands Gewässern 279 Menschen zu Tode gekommen, wie die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) bekannt gab - 38 mehr als zu diesem Zeitpunkt ein Jahr zuvor. Die meisten Opfer zählte bis dahin das seenreiche Bayern (45), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (37) und Niedersachsen (36), unterdessen sind es noch etliche mehr. Im gesamten verregneten Jahr 2017 wurden hierzulande 404 Ertrunkene registriert, nun nimmt die Zahl der Badeunfälle wieder erheblich zu.

Das hat mit der Hitze zu tun, selten war an deutschen Ufern so viel los. Die Tragödien liegen aber vor allem daran, dass sich viele Badefreunde und Kommunen nicht an die Empfehlungen halten. Schwimmen sollen die Leute natürlich schon, sagt Achim Wiese, Sprecher der DLRG, der größten Wasserrettungsorganisation der Welt. "Aber es sollten ein paar Baderegeln beachtet werden."

Beobachter erkennen Trends. So ertrinken im Schnitt viermal so viele Männer wie Frauen - die meisten von ihnen sind jugendlich oder nähern sich dem Seniorenalter, oft überschätzen sie sich. Andere springen sorglos oder betrunken von Brücken oder Stegen und enden deshalb im Rollstuhl. Eltern am Strand oder Pool schauen aufs Handy statt auf die Kinder.

Die Statistik weist aus, dass besonders viele Wasserleichen aus Seen, Teichen und Flüssen gezogen werden, seltener aus Pools. Grund eins: Schwimmer neigen dazu, Strömungen, Strudel oder Temperaturschwankungen zu unterschätzen. Der Rhein zum Beispiel fließt zehn Kilometer pro Stunde, und die Schifffahrt produziert Wellen. Auf der Elbe werden seit dem Sonntag ein Vater und sein Sohn vermisst, man fand nur ihr Kanu. Grund zwei: Viele Badende schwimmen schlechter, als sie glauben - und obendrein allein. Grund drei: Es kann nicht jede Flussbiegung und jeder Weiher kontrolliert werden, obwohl DLRG und Wasserwacht Tausende Aufpasser und Retter im Einsatz haben. Die große Mehrheit der Unglücke ereignet sich an unbewachten Orten.

Experten wünschen sich, dass es statt billiger Verbotsschilder mehr ausgewiesene Badestellen gibt - und vor allem wieder mehr Schwimmbäder statt Spaßbäder und mehr Schwimmunterricht. Viele Schüler haben kaum Zugang zu Schwimmbecken. Laut einer Forsa-Umfrage von 2017 können sechs von zehn zehnjährigen Kindern nicht richtig schwimmen. Auf die erste Auszeichnung namens Seepferdchen sollte sich niemand verlassen, rät auch Damaris Sonn von der Wasserwacht Bayern. Das Jugendschwimmabzeichen in Bronze sollte es mindestens sein - man nennt es den Freischwimmer.

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SZ vom 08.08.2018/eca/pvn
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