Badesaison:Freibäder wollen Fotoverbot rigoros durchsetzen

May 10 1966 Cannes France Three year old GILOU PELLETIER is already a star in his own right W

Als Knipsen noch etwas Unverdächtiges war: Der dreijährige französische Kinderschauspieler Gilou Pelletier nimmt 1966 in Cannes die Schauspielerin Yveline Arnaud ins Visier.

(Foto: imago)
  • In vielen Freibädern in Deutschland gelten in diesem Sommer strenge Fotografierverbote.
  • Vom großen Interesse der Freibäder an Kamera-Aufklebern sind selbst die Hersteller überrascht.
  • Bei Müttern, Vätern und manchen Hobbyfotografen stoßen die Einschränkungen auf Widerspruch.

Von Susanne Höll

Nur die ganz robusten Zeitgenossen waren in diesem Beinahe-Frühling schon im Freibad. Nun aber wird es langsam wärmer, auch mit dem Regen müsste doch irgendwann mal Schluss sein, und wer dann baden geht, wird hier und dort feststellen, dass eine bislang weitgehend unbeachtete Regel jetzt rigoros durchgesetzt werden soll. Die Regel lautet: Fotografieren verboten.

Im Offenbacher Waldschwimmbad etwa haben Gäste nun die Wahl - entweder bleibt das Smartphone in der Tasche, oder die Kameralinse wird mit einem Siegel verklebt. Wer sich nicht fügt, bekommt es mit der Aufsicht zu tun und fliegt raus. Die Hausherren begründen die Vorschrift mit dem Schutz der Gäste, insbesondere der Kinder. Inzwischen seien etliche Smartphones wasserfest, und die Jugendlichen gingen mit den Geräten in die Becken und filmten, sagt Badleiter André Kühner. Besonders am Planschbeckenrand werde intensiv kontrolliert. Es ist, wie Kühner sagt, allerdings eine Präventionsmaßnahme: "Bei uns hat es bislang keine skandalösen Vorfälle gegeben."

Auch in Freibädern anderer Bundesländer gelten seit Kurzem strenge Knipsverbote. Das auf Anti-Spionage-Vorkehrungen spezialisierte baden-württembergische Unternehmen "Lens Seal" verkaufte bereits Kamera-Aufkleber an rund ein Dutzend Bäder in ganz Deutschland. Die Betriebe, sagt der Geschäftsführer Holger Ditzel, hätten 2016 schon angefragt, im Sommer 2017 kommen die Aufkleber zur Anwendung. Ditzel sagt auch: Er war von dem Interesse überrascht.

Die Foto-Einschränkungen sind im Prinzip keine neue Sache. In den allermeisten Badeordnungen der Städte findet sich der Satz, dass Aufnahmen von Dritten ohne deren Erlaubnis unzulässig sind. Dieser Hinweis ist sozusagen eine Selbstverständlichkeit: Niemand darf in der Öffentlichkeit ohne seine Zustimmung abgelichtet werden, Kinder sind sowieso tabu. Lediglich für Prominente gelten etwas weniger strenge Regeln. Weil die halbe Welt sich aber mittlerweile permanent und mit kaum zu bremsender Begeisterung selbst ablichtet, gewinnt der Umgang mit dem Fotografier-Verbot an Bedeutung - und Schwimmbäder sind nun mal spezielle Orte.

Es geht nicht ausschließlich um das Baden selbst, das Sehen und Gesehenwerden gehört zwangsläufig mit dazu, in einer Umgebung, in der die Besucher ihren Leib nur spärlich bedecken. Und, auch das, Kleinkinder oft nur Sonnenhütchen tragen - die Vorstellung, dass sich Aufnahmen davon ungewollt elektronisch verbreiten, womöglich gar in Pädophilen-Kreise gelangen, verschreckt nicht nur Eltern.

Ist das hysterisch? Übervorsichtig? Oder doch notwendig?

Der von der Bundesregierung ernannte Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, sagt: Zwar müsse ein Familienfoto im Schwimmbad möglich sein, unerwünschte Aufnahmen müssten jedoch tatsächlich unterbunden werden. "Dazu gehört auch die Information, dass das Badepersonal bei Übertretungen ansprechbar ist und auch weiß, was zu tun ist", sagt Rörig.

In Berlin gibt es das Verbot nicht - weil man es nicht kontrollieren kann

Bei Müttern, Vätern und manchen Hobbyfotografen stoßen die Einschränkungen jedoch schon länger auf Widerspruch. Eltern, die den Nachwuchs beim Schwimmkurs filmen wollen, können nicht verstehen, warum sie keine Fotos am Beckenrand machen dürfen - Familien-Internetforen sind voll von derartigen Beschwerden. Auch der Offenbacher Bad-Chef André Kühner erwartet in den Sommertagen heftige Debatten über das Fotografierverbot. Wie man mit dem verständlichen Wunsch nach Familienfotos umgehen werde, müsse noch geklärt werden, sagt er.

Langwierige Debatten sollen aber vermieden werden, schließlich müssen die Schwimmmeister sich ja vor allem um den Schutz der Gäste im Wasser kümmern. Es dürfte ziemlich schwierig werden, die Regel an einen brütenden Wochenendtag durchzusetzen, wenn schon mal 3000 Gäste im Schwimmbad sind. Kühner sagt, das kriege man hin. Schließlich gebe es gelegentlich auch zusätzliche Sicherheitsleute, die die Augen offenhielten.

Und dann wird André Kühner nostalgisch: Ach, die Zeiten, in denen es keine Handys und digitalen Unfug gab. Im vergangenen Jahrhundert muss das gewesen sein, als ein dezenter Duft von Piz-Buin-Sonnencreme über den Rasen schwebte, Kinder belegte Brote aßen, die Schulen für anständige Schwimmkurse sorgten und das Wort eines Bademeisters noch galt. In jener goldenen Bade-Ära genügte schon ein Blick der Aufsicht, damit der Besitzer eines quäkenden Kofferradios den Ton leiser drehte.

Sommerurlaub GDR20160222 Aufnahme ca 1964 Sommerurlaub an der Nordsee Sylt Mann am Nacktbadest

Ein Hinweis am Nacktbadestrand auf Sylt 1964.

(Foto: Gerhard Leber/imago)

Die Schwimmbadsitten haben sich eben verändert. Immer wieder ist von Klagen von Bademeistern zu hören, dass viele Kinder nicht oder nur schlecht schwimmen können. Und Joachim Heuser von der Gesellschaft für das Badewesen, einer Art Beratungsorganisation für die Branche, hört vom Beckenpersonal häufig Empörung über jene Eltern, die den Nachwuchs nicht im Auge behielten. "Dann hat man ein Kind vor dem Ertrinken gerettet und muss die Eltern erst noch suchen", sagt Heuser.

Hinzu kommt, dass in vielen Städten die finanziellen Mittel für das Personal im Schwimmbad fehlen - was wiederum ein Grund sein dürfte, weshalb Berlin in Sachen Privatfotos einen Sonderweg geht. Anders als im Rest der Republik fehlt in der dortigen Badeordnung der Hinweis auf die Unzulässigkeit von Aufnahmen Dritter. Man wolle nur Regeln aufstellen, die man auch durchsetzen könne, sagt Bäder-Sprecher Matthias Oloew. Das sei keine "Kapitulationserklärung", fügt er sicherheitshalber gleich hinzu. Es gebe Durchsagen in den Bädern, auf Fotos zu verzichten, vielleicht würde man auch auf Plakaten dafür werben.

Für die Bademeister Berlins ist das eine gute Nachricht: Sie müssen in diesem Sommer - außer dass sie Nichtschwimmer und Schwimmer beobachten, Kindern das Springen vom Beckenrand verbieten und die Wasserqualität kontrollieren - nicht auch noch nach unverklebten Smartphone-Linsen Ausschau halten.

Im Herbst werden die Freibäder Bilanz ziehen. Und sich, spätestens dann, vermutlich gleich auf eine neue Regel vorbereiten, ganz nach dem Vorbild der Bodensee-Stadt Konstanz. Dort sind seit der vergangenen Saison Drohnenflüge über den Bädern verboten.

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