Die Polizei ermittelt gegen 145 Beschuldigte in einem Verfahren wegen Verdachts der Freiheitsberaubung bei Bewohnern in einer Behinderteneinrichtung im nordrhein-westfälischen Bad Oeynhausen. Darunter sind der ehemalige Leiter eines Geschäftsbereichs, Ärzte und verantwortliche Betreuer sowie Angehörige des Pflegepersonals, wie die Polizei des Kreises Minden-Lübbecke und die Staatsanwaltschaft Bielefeld mitteilten.
Die Vorwürfe lauten auch auf Körperverletzung. Offenbar waren unter anderem Bewohner der Einrichtung eingeschlossen oder auf Stühlen oder Matten fixiert worden, ohne dass ein Richter dies angeordnet hatte. Dabei seien unter anderen auch Zimmer zugeschlossen oder Personen in einen sogenannten "Time-out-Raum" abgesondert worden. In 21 Fällen sei Reizgas eingesetzt worden. Ob dies wegen einer Notwehr-Situation gerechtfertigt war, werde noch überprüft.
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In früheren Lockdowns blieben sie geschlossen, nun müssen sie wieder öffnen. Eltern von Mitarbeitern befürchten eine Infektionsgefahr.
Die hohe Zahl von 145 Personen ergebe sich, weil Teile des Pflegepersonals an einzelnen freiheitsentziehenden Maßnahmen beteiligt gewesen sein sollen, ohne diese jedoch angeordnet zu haben.
Bislang sind 32 Opfer bekannt
Nach Angaben der Polizei hatten die Ermittlungen 2019 nach der Anzeige eines Angehörigen begonnen. Seit Oktober 2019 wird gegen den ehemaligen Leiter ermittelt. 32 Opfer sind bislang durch die Ermittler identifiziert worden. Am Samstag hatte das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium bestätigt, dass zur Aufklärung der Vorwürfe eine eigene Projektgruppe eingerichtet worden sei. Durchsuchungen der polizeilichen Ermittlungskommission gab es in insgesamt 26 Objekten überwiegend in Nordrhein-Westfalen.
Die 1887 gegründete Diakonische Stiftung Wittekindshof mit Sitz in Bad Oeynhausen unterstützt nach eigenen Angaben jährlich rund 5000 Kinder, Jugendliche und Erwachsen mit Beeinträchtigungen. Der Bereich "Heilpädagogische Intensivbetreuung" richtet sich an Menschen mit einer geistigen Behinderung und zusätzlichen schweren psychischen Störungen oder massiv herausforderndem Verhalten.
Die Stiftung reagierte mit Bestürzung auf die bekannt gemachten Details. "Wenn im Wittekindshof Maßnahmen ergriffen wurden, die nicht rechtmäßig und strafbar gewesen sind, dann distanzieren wir uns davon klar und deutlich", teilte Vorstand Dierk Starnitzke mit. "Es gilt, die Anschuldigungen schonungslos aufzuklären, wozu wir weiterhin unbedingt entschlossen sind", hieß es. Die Stiftung hatte bereits im Juli 2020 angekündigt, den betroffenen Geschäftsbereich aufzulösen.