Süddeutsche Zeitung

Rauchverbot im Auto:"Wirksamer wäre eine Erhöhung der Tabaksteuer"

Rauchen mit Kindern auf der Rückbank könnte künftig teuer werden. Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum erklärt, was Rauchen im Auto so gefährlich macht - und warum die Initiative mehrerer Bundesländer nur ein kleiner Schritt ist.

Interview von Anna Fischhaber

Um Kinder vor Passivrauchen zu schützen, könnte die Zigarette beim Autofahren künftig tabu sein. Zumindest wenn Schwangere oder Minderjährige mit im Fahrzeug sitzen. Eine entsprechende Gesetzesinitiative wollen Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein am Freitag in den Bundesrat einbringen. Geändert werden soll das Nichtraucherschutzgesetz. Bei Verstößen würden Bußgelder von 500 bis 3000 Euro drohen. Katrin Schaller kümmert sich bei der Stabsstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums um die Themen Tabakprävention und Tabakkontrolle.

SZ: Frau Schaller, wie gefährlich ist Rauchen im Auto?

Katrin Schaller: Die Tabakbelastung im Auto ist sehr schnell sehr hoch, weil der Raum so klein ist. Der Rauch sammelt sich, ein geöffnetes Fenster hilft nicht viel. Und Kinder sind besonders gefährdet, weil ihre Entgiftungssysteme noch nicht so gut arbeiten und sie eine höhere Atemfrequenz haben. Ein Ungeborenes nimmt die Schadstoffe, die die Mutter beim Passivrauchen inhaliert, über das Blut auf. Babys von Müttern, die in der Schwangerschaft verstärkt Tabakrauch ausgesetzt waren, kommen oft mit einem geringeren Geburtsgewicht zur Welt. Das Risiko für eine Frühgeburt und einen plötzlichen Kindstod erhöht sich.

Interview am Morgen

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Kommt das Gesetz nicht 30 Jahre zu spät? Früher war Rauchen im Auto ganz normal, heute raucht doch kaum noch jemand dort.

Tatsächlich ist Nichtrauchen heute mehr verbreitet, aber es gibt noch Leute, die im Auto rauchen. Laut unserem Tabakatlas von 2015 sind Kinder außer in der Wohnung vor allem im privaten Pkw Zigarettenqualm ausgesetzt. Die Zahl der Raucher mit Kindern, die im Auto auf die Zigarette verzichten, ist zwischen 2007 und 2011 um fast elf Prozent gestiegen. Heute sind es etwa zwei Drittel der Raucher, die Kinder haben, die im Auto nicht rauchen. Aber eben nur zwei Drittel.

Wie viele Kinder sind betroffen?

Hochgerechnet auf die Bevölkerung in Deutschland müssen schätzungsweise rund 800 000 Kinder und Jugendliche im Auto ihrer Eltern passiv rauchen. Eine wichtige Rolle spielt aber sicher auch der symbolische Wert: Kinder werden geschützt, indem Rauchen unattraktiver gemacht wird. Zumal 78 Prozent der Raucher ein gesetzliches Verbot im Auto in Anwesenheit von Minderjährigen befürworten.

Gäbe es nicht wirksamere Methoden, um Rauchen unattraktiver zu machen?

Das ist das Problem: Man erreicht mit diesem Gesetz eine verhältnismäßig kleine Gruppe. Sinnvoller wäre es, beim Nichtraucherschutz insgesamt nachzubessern. In 13 Bundesländern dürfen in Kneipen immer noch Raucherräume eingerichtet werden. Davon sind wesentlich mehr Menschen betroffen. Nicht unbedingt Kinder, aber die Mitarbeiter und natürlich auch die anderen Gäste.

Wieso greift die Politik nun in den eher privaten Bereich Auto ein, anstatt sich erst einmal um den öffentlichen Raum zu kümmern?

Bayern, das Saarland und Nordrhein-Westfalen zeigen, dass ein Nichtraucherschutz in der Gastronomie machbar ist. Inzwischen ist auch die Zustimmung zu Rauchverboten da, sie ist in der Bevölkerung insgesamt gestiegen, aber auch unter Rauchern. Ähnlich ist es beim Werbeverbot für die Tabakindustrie. Auch hier gibt es eine Zustimmung von 74 Prozent in der Gesellschaft. Aber es passiert kaum etwas.

Die Politik hinkt der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher.

Das könnte man so sagen. Die Politik ist bei Tabakkontrollmaßnahmen sehr zögerlich. Wir haben eine starke Tabaklobby in Deutschland.

Ist die Initiative Rauchverbot im Auto reine Schaufensterpolitik?

So weit würde ich nicht gehen. Jede Maßnahme zum Schutz der Bevölkerung, jede Maßnahme, die zum Nichtrauchen motiviert, ist eine sinnvolle Maßnahme. Aber es gibt effektivere Maßnahmen. Wesentlich wirksamer wäre eine Erhöhung der Tabaksteuer. Aber wir begrüßen auch die kleinen Schritte.

Aber motiviert es wirklich, wenn die Politik versucht, in einem eher privaten Bereich durch gesetzliche Regelungen Verhaltensänderungen zu erzwingen?

Länder wie Griechenland, England, Frankreich, Italien und Österreich machen vor, dass ein Rauchverbot im Auto möglich ist. Allerdings bestehen diese Verbote noch nicht lange genug, um messen zu können, welchen Erfolg sie haben. Als das Rauchverbot in den Kneipen kam, hieß es aber auch: Dann rauchen die Leute eben zu Hause mehr, auch die Tabakindustrie hat damals geunkt. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die Leute haben gesehen, dass es funktioniert und gehen inzwischen auch daheim öfter mit der Zigarette raus. Es wäre wünschenswert, dass diese Gesetzesinitiative einen ähnlichen Effekt hat und sich Eltern nicht im Wohnzimmer die Zigarette anzünden, auf die sie im Auto verzichtet haben.

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