Australien:Wie eine Frau in zehn Tagen zweimal schwanger wurde

Eizelle und Spermien

Frauen haben üblicherweise keinen Eisprung mehr, wenn eine Eizelle befruchtet ist.

(Foto: Jan-Peter Kasper/dpa)

Als Kate Hill bei der Ultraschalluntersuchung ist, muss selbst ihr Arzt erstmal googeln. Plötzlich ist da ein zweiter Embryo - und Zwillinge sind die beiden nicht.

Von Christina Berndt

Als Kate Hill aus Brisbane im Frühjahr 2015 zu ihrem Frauenarzt ging, freute sie sich sehr auf das Ultraschallbild ihres Kindes. Lange hatte sie vergeblich versucht, schwanger zu werden. Endlich war sie es - doch der Blick auf den Monitor verschlug ihr und ihrem Arzt die Sprache: Da war nicht mehr nur ein Kind zu sehen, ein zweites war dazugekommen. Zehn Tage nachdem Hill schwanger geworden war, war sie noch einmal schwanger geworden, wie sie jetzt dem australischen Sender Seven Network erzählte. Ende des Monats wollen sie und ihr Mann Peter die Geburt ihrer Töchter Charlotte und Olivia feiern, ihrer "Wunderbabys".

Es ist kein Wunder, aber doch eine ausgesprochene Rarität. Überschwängerung oder Superfekundation nennen es Fachleute, wenn zu einer bestehenden Schwangerschaft noch eine weitere hinzukommt. Was bei Kaninchen gängig ist, verhindern beim Menschen die Hormone. "Frauen haben üblicherweise keinen Eisprung mehr, wenn eine Eizelle befruchtet ist", sagt Uwe Hasbargen, Leiter des Perinatalzentrums am Münchner Universitätsklinikum Großhadern. Gleichwohl gibt es weltweit einige verlässliche Berichte von Superfekundationen. Weshalb diese wenigen Frauen überschwanger werden konnten, ist unbekannt. Kate Hill nahm Hormone, um ihren Eisprung zu stimulieren; das mag in ihrem Fall dazu beigetragen haben.

Aber sind die Kinder wirklich nacheinander gezeugt worden oder sind es doch gewöhnliche Zwillinge? Das ist im Einzelfall schwer nachzuweisen. Es ist jedenfalls kein Indiz, wenn ein Kind bei der Geburt viel größer ist als das andere. Es kommt bei Zwillingen immer wieder vor, dass sich einer auf Kosten des anderen ernährt und deshalb schneller wächst. Über den Zeitpunkt der Zeugung sagt das nichts aus.

Wenn eines der Kinder farbig ist, wird der Seitensprung der Mutter enttarnt

Eine sichere Beweislage gibt es nur dann, wenn die Kinder zwei verschiedene Väter haben - wenn die Frau also von einem Mann schwanger war, dann noch mit einem anderen schlief und auch von diesem schwanger wurde. Bei Männern unterschiedlicher Ethnien ist der Seitensprung dann mit der Geburt verraten. Schon 1823 stellte der Erlanger Institutsdirektor Adolph Henke zur "Frage über die Möglichkeit der Ueberfruchtung bei dem menschlichen Weibe" fest: "Die Fälle, wo eine Schwangere, zugleich oder bald nach einander, Kinder von zweierlei Art (ein weißes und einen Mulatten) gebar, müssen als die vollgültigsten Beweise der Möglichkeit der Ueberschwängerung anerkannt werden."

Allerdings ist hier Vorsicht angebracht, denn: Wenn ein Elternteil selbst von Eltern verschiedener Hautfarbe abstammt, können die Geschwisterkinder sehr unterschiedlich aussehen, auch was die Hautfarbe betrifft, obwohl der Geschlechtspartner der selbe bleibt - wie etwa Boris Beckers Kinder aus erster Ehe beweisen.

Letzte Sicherheit über zwei verschiedene Väter gibt aber ein Gentest. Und der kann Peinliches offenbaren. So war sich ein Taxifahrer aus Kapstadt bei der Geburt seiner Drillinge sicher, dass nicht alle von ihm waren. Tatsächlich verpflichtete ein Gericht ihn im Jahr 2008 nur zum Unterhalt für eines der Kinder. Die anderen beiden waren nicht von ihm, sie müssen durch Superfekundation bei einem Seitensprung seiner Frau entstanden sein.

Kompliziert ist der Nachweis einer Superfekundation aber dann, wenn die Kinder denselben Vater haben. Dann geben Ultraschalluntersuchungen noch den sichersten Hinweis. "In der Frühschwangerschaft ist ein Kind so groß wie es alt ist", sagt Uwe Hasbargen. An der Größe der Embryos sind sogar Altersunterschiede von wenigen Tagen erkennbar, und zehn Tage wie bei Kate Hills Töchtern bedeuten, dass ein Embryo bereits neun Millimeter groß gewesen sein muss, während der andere gerade einen Millimeter erreichte.

Der Frauenarzt musste erst mal googeln, was da los ist

Bei Kate Hill fand der Frauenarzt Brad Armstrong tatsächlich zwei so unterschiedlich entwickelte Embryonen: "Ich war völlig baff", erzählte er im Fernsehen, "ich musste erst mal googeln, was da los ist." Dass Charlotte und Olivia nacheinander gezeugt wurden, ist damit sehr wahrscheinlich. Eines aber ist doch merkwürdig. Die Mädchen seien unter den Besonderen noch extra-besonders, sagte Kate Hill: In den zehn Tagen, in denen ihre Töchter gezeugt wurden, hätten sie und ihr Mann nur einmal Geschlechtsverkehr gehabt. "Sein Sperma blieb zehn Tage am Leben", so Hill. Zehn Tage überdauerndes Sperma - nach Ansicht des Perinatalmediziners Hasbargen ist das unmöglich. Die Wunderbabys müssen wirklich das Werk eines Fruchtbarkeitsgotts sein. Auch ein menschlicher kommt in Betracht.

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