Verheerende Waldbrände in Australien:"Die Reaktion der Politik ist schockierend"

NSW Fire and Rescue officer protects the Colo Heights Public School from being impacted by the Gospers Mountain fire near Colo Heights south west of Sydney

Feuerwehrleute in Australien kämpfen gegen die schlimmsten Buschfeuer, an die man sich in Sydney erinnern kann.

(Foto: Reuters)

In Australien wüten extreme Buschfeuer, Sydney liegt unter dicken Rauchschwaden. Dort arbeitet und lebt die deutsche Klimawissenschaftlerin Katrin Meissner. Sie kann nicht begreifen, dass die Regierung weiterhin den Klimawandel verharmlost.

Interview von Thomas Hummel

Der Südosten Australiens leidet seit Tagen unter schlimmen Waldbränden, die Medien sprechen von einer beispiellosen Katastrophe. Vier Menschen sind ums Leben gekommen, mehr als 300 Häuser wurden zerstört, die Feuer reichen nahe an die Metropole Sydney heran. Den Gesundheitsbehörden zufolge war am Dienstag die Luft aufgrund der Rauchentwicklung so schlecht wie in keiner anderen Stadt der Welt, die Feinstaubbelastung lag mehr als 20 Mal höher als etwa in Jakarta oder Peking, die für ihren Smog berüchtigt sind.

Im Mai wurde in Australien eine liberale und wirtschaftsnahe Regierung wiedergewählt, die Debatten zum Klimawandel eher ablehnt und die kürzlich die Ausbeutung des landesweit größten Kohlevorkommens genehmigte. Klimawissenschaftlerin Katrin Meissner, geboren in Berlin, wohnt mit ihrer Familie seit zehn Jahren in Sydney und leitet dort das Climate Change Research Center der University of New South Wales.

SZ: Frau Meissner, wie schlimm sind die Buschfeuer?

Katrin Meissner: Wir wohnen auf einer kleinen Anhöhe im Stadtteil Coogee, der direkt am Meer liegt. Von unserem Wohnzimmer aus konnten wir in den vergangenen Tagen zeitweise vor Rauchschwaden weder das Tal noch das Wasser sehen. Es riecht, als säße ich mitten in einem Lagerfeuer. In unserem Bundesstaat New South Wales wurde für eine Woche der Ausnahmezustand ausgerufen. In wenigen Tagen sind über eine Million Hektar Land verbrannt, fast so viel, wie in den vergangenen drei Jahren zusammen. Und es brennt weiter. Zwei Drittel des Lebensraums der Koalabären um Port Macquarie nördlich von Sydney sind in Flammen aufgegangen und man schätzt, dass 350 Koalas dabei umgekommen sind. Das sind ungefähr die Hälfte der Tiere dort.

Gehören die Brände zu den Auswirkungen des Klimawandels in Australien?

Es ist natürlich auch hier wärmer geworden. Die Hitzewellen nehmen an Intensität zu und treten häufiger auf. Gleichzeitig regnet es weniger. Die Niederschlagsmenge hat sich während der letzten hundert Jahre im Süden und im Südwesten des Landes verringert. In Ostaustralien haben wir in den letzten 30 Jahren einen ähnlichen Trend festgestellt. Deshalb wird die Waldbrandsaison länger und intensiver. Sie wird in Zukunft noch länger werden, und vor allem schon im Frühling beginnen. Es gibt inzwischen häufiger Brände, die so gewaltig sind, dass sie ihr eigenes Wetter erzeugen. Es bilden sich dabei sogenannte Pyrocumulus oder Feuerwolken, die Gewitter auslösen können, die dann zu weiteren Bränden führen. Ich finde es besorgniserregend, dass es nicht nur dort häufiger brennt, wo Feuer relativ normal und Ökosysteme daran angepasst sind. Sondern dass auch Wälder brennen, die eigentlich gar nicht brennen dürften. Zum Beispiel die Regenwälder im Norden von New South Wales und in Queensland, oder der Hochland-Regenwald im Naturschutzgebiet Mount Hyland oder die "kalten" Regenwälder in Tasmanien.

Wie reagiert die Bevölkerung auf die außergewöhnlichen Wetterlagen und Buschfeuer?

Sie versucht ihre Häuser zu retten und ihren Familien und Freunden zu helfen. Wir beherbergten Freunde bei uns, denen es zu riskant war, in ihrem eigenen Haus zu übernachten. Außerdem ist das Wort "Klimawandel" nun etwas öfter in den Medien zu lesen und zu hören. Bislang wurde es in Australien eher totgeschwiegen.

Der Klimawandel ist sonst tatsächlich kein Thema?

Ich erinnere mich, als wir hier vor zehn Jahren ankamen, bin ich zum Direktor der Grundschule meiner Tochter gegangen und habe mich vorgestellt. Dabei habe ich angeboten, als Gast im Unterricht Schülerfragen zu beantworten, wenn der Klimawandel durchgenommen wird. Der damalige Rektor antwortete, dass der Klimawandel ja nun doch zu kontrovers für den Schulunterricht sei, dass ich aber, da ich ja anscheinend so leidenschaftlich an Umweltfragen interessiert sei, mich gerne als Freiwillige für die Wurmfarm der Schule anmelden könne. Die Wurmfarm wäre eine ganz fantastische neue Einrichtung der Schule und mache Humus für den Schulgarten. Daran sieht man: Das Thema Klimawandel hatte es hier lange Zeit äußerst schwer.

Katrin Meissner

Katrin Meissner, geboren in Berlin, hat in Lille, Paris und Bremen studiert. Die Doktorin der Physik arbeitete erfolgreich im Bereich der Ozeanographie. Sie kam an die Uni in Vancouver, Kanada, und wechselte 2009 nach Sydney. Dort leitet die Professorin heute das Climate Change Research Centre an der Uni von New South Wales.

(Foto: privat)

Wie läuft die Debatte jetzt angesichts der Brände, Hitze und Dürren?

Die Reaktion vieler Politiker - vor allem aus der regierenden Koalition aus Liberaler und Nationaler Partei - auf die aktuellen Brände ist unzureichend und schockierend. Als die Regierungschefin von New South Wales, Gladys Berejiklian, auf den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und den Bränden angesprochen wurde, antwortete sie nur: "Heute nicht." Vizepremierminister Michael McCormack bezeichnete Menschen, die die tieferen Ursachen der Brände und die Rolle des Klimawandels ansprachen als "raving inner-city lunatics", als delirierende, innerstädtische Verrückte. Barnaby Joyce, der ehemalige Vizepremier, hat in einem Interview behauptet, dass zwei der Brandopfer höchstwahrscheinlich vor ihrem Tod die Grünen gewählt hatten. Eine Bemerkung, die vollkommen irrelevant und fehl am Platz ist. Innenminister Peter Dutton hat kürzlich gedroht, Klimaprotestern die Sozialhilfe abzuerkennen. Das ist ein offener Angriff auf Meinungsfreiheit und demokratische Grundrechte.

Wieso tut sich die Regierung so schwer, die wissenschaftlichen Erkenntnisse anzuerkennen?

Die Liberale Partei ist fest in den Händen der Kohlelobby. Australien ist der weltgrößte Kohle-Exporteur und der Kohlebergbau bleibt ein bedeutender Wirtschaftsfaktor des Landes. Ganze Kommunen sind davon abhängig. Das Land erlebt seit Jahren einen Aufschwung, der unter anderem von Bodenschätzen getrieben wird. Dass die Kohleverbrennung das Klima aufheizt, wird da lieber verschwiegen. Kürzlich hat die Regierung die Ausbeutung des potenziell größten Kohlevorkommens der Welt genehmigt, im Nordosten des Landes. Von dort soll die Kohle per Zug zu einem Hafen gebracht und dann über das darunter sterbende Great Barrier Reef hinweg verschifft werden. Da braucht man schon Humor, um das noch zu begreifen.

Wie schlecht steht es um das größte Korallenriff der Erde vor der australischen Ostküste?

Hohe Wassertemperaturen haben gleich zweimal hintereinander eine Massenbleiche ausgelöst, 2016 und 2017. Normalerweise braucht ein Riff mehrere Jahre, um sich zu erholen, wenn es das überhaupt schafft - das hängt vom Ausmaß der Bleiche ab. Der "Great Barrier Outlook Report 2019", ein Fünf-Jahres-Bericht, ist im September erschienen und hat zum ersten Mal den Zustand des gesamten Gebiets als mangelhaft bezeichnet. Die nördlichen zwei Drittel wurden sogar als sehr mangelhaft eingestuft. Die Prognosen sehen noch besorgniserregender aus. Die Erderhitzung wurde in dem Report als der wichtigste Faktor für die Probleme des Riffs genannt.

In Australien ist auch der Tourismus ein Wirtschaftsfaktor. Spielt das keine Rolle?

Viele Touristen sind vielleicht schon froh, wenn da ein Fisch über ein totes Riff schwimmt, weil sie natürlich nicht wissen, wie es vorher aussah. Das Problem betrifft aber nicht nur Australien. Ich war bei einem Komitee von pazifischen Inselstaaten, dort habe ich die Labore besichtigt, in der freien Zeit war ich tauchen. In Fidschi bin ich kilometerweit über totes Riff geschwommen, ich habe richtig geheult, das war furchtbar. Wobei die Leute dort versuchen, sich ihren Humor zu erhalten. Vor einem Touristenressort gab es im Meer nichts mehr, die Korallen waren tot. Im Hotel hing aber ein großes Poster mit Korallen und bunten Fischen und ich fragte einen Bootsverleiher, wo man das denn noch finde. Er antwortete, das Bild hinge dort nur, um sich daran zu erinnern, was da eigentlich schwimmen sollte. Dann in Tahiti waren an manchen Stellen nur noch drei Prozent der Korallen da. Es ist tragisch.

Wie gehen Sie als Klimaforscherin persönlich mit dieser Situation um?

Die Entwicklungen machen mich traurig und machen mir auch Angst. Zumindest ist der Klimawandel heute ein Thema, über das man spricht. Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Bewegung haben etwas erreicht, an dem wir Wissenschaftler jahrelang gescheitert sind, nämlich endlich eine öffentliche Diskussion und ein weitverbreitetes Bewusstsein für die Situation zu schaffen. Umfragen zufolge stimmen auch 77 Prozent der Australier zu, dass die Erderwärmung Realität ist. Außerdem sind 64 Prozent dafür, bis 2050 das Land klimaneutral zu machen. Trotzdem ist es wirklich schwer, in meinem Job positiv zu bleiben. Die Prognosen sind klar, deutlich und verheerend.

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