Süddeutsche Zeitung

Australische Wildnis:Wo ist Claire?

  • Drei Freunde sind im australischen Outback von einem Ausflug zwei Wochen lang nicht zurückgekehrt.
  • Mittlerweile wurden zwei von ihnen lebend gerettet, von Claire Hockridge fehlt noch immer jede Spur.

Von Mareen Linnartz

Es sollte nur ein kurzer Ausflug werden, drei Freunde, die die Einsamkeit des australischen Outbacks erleben wollten, Einheimische. Am 19. November starteten Claire Hockridge, 46, Phu Tran, 40, und Tamra McBeath-Riley, 52, von Alice Springs im Landesinneren aus, der einzigen größeren Stadt - im Gepäck als Proviant ein paar Kekse, Nudeln zum Aufkochen und Wodka-Drinks. Nicht weit von der Stadt entfernt blieben sie in einem Flussbett stecken und versuchten vergeblich, ihr Auto zu befreien. Nach drei Tagen machten sie sich auf, um Hilfe zu suchen und fanden eine Wasserstelle, an der sie eine weitere Woche lang ausharrten, Wasser abkochten und so ausreichend Flüssigkeit bekamen.

Dann trennten sie sich: Tamra McBeath-Riley blieb mit ihrem Hund, der von den harten äußeren Bedingungen schon sehr geschwächt war, an der Wasserstelle. Die anderen beiden wollten zu Fuß den Stuart Highway erreichen, die einzig dichter befahrene und geteerte Straße in dieser Einsamkeit, die die Großstädte Darwin im Norden und Port Augusta im Süden des Landes auf einer Strecke von über 2700 Kilometern verbindet. Tran und Hockridge planten vor allem nachts zu laufen, um nicht so sehr der trockenen und zehrenden Hitze ausgesetzt sein zu müssen - momentan herrschen dort Tageshöchstwerte von etwa 40 Grad.

"Man sieht sehr viel Nichts"

Am Sonntag, knapp zwei Wochen nach ihrem Verschwinden, wurde Tamra McBeath-Riley mit ihrem Hund von einer Hubschrauberbesatzung entdeckt, dehydriert, aber in guter Verfassung. Als Erstversorgung bekam sie Cola und Pommes frites, bevor sie in einem Krankenhaus in Alice Springs weiter behandelt wurde, von dort ist sie inzwischen wieder entlassen worden. Am Montag entdeckte ein Viehhüter auch Phu Tran, ebenfalls nur leicht desorientiert, ansonsten stabil. Dass beide nun so viele Tage in der Wildnis unter diesen extremen äußeren Bedingungen lebend wiedergefunden wurden, nennt die Polizeipräsidentin von Alice Springs, Pauline Vicary, nicht mehr als "ein Wunder". Gleichzeitig aber schwindet mit jedem Tag die Hoffnung, dass auch die dritte im Bunde, Claire Hockridge, überlebt haben könnte.

Das australische Outback umfasst beinahe drei Viertel der Fläche Australiens, man bezeichnet damit Regionen, die fern der Zivilisation liegen. Nicole Nierenberg vom Reiseveranstalter Travel Essence in Frankfurt, der auf individuelle Australien-Reisen auch im Outback spezialisiert ist, hat mehrere Jahre in Australien gelebt. Sie ist selbst den Stuart Highway entlanggefahren und kennt die Gegend um Alice Springs gut. Es sei dort wirklich extrem heiß, erzählt sie, man treffe selten auf andere Menschen, die wenigen Straßen seien oft nur staubige Pisten auf roter Erde. "Es ist eine Leere, die einen faszinieren oder auch überfordern kann. Man sieht sehr viel Nichts."

Suchkräfte sind "hoffnungsvoll"

Handy-Empfang gibt es nur sporadisch, weswegen Nierenberg ihren Kunden immer empfiehlt, für die Reise ein Satellitentelefon anzuschaffen. Und selbst bei Kurztrips sollte, sagt Nierenberg, mindestens ein Kanister mit 50 Liter Wasser dabei sein, dazu als Standard ein Ersatzreifen und eine Taschenlampe. In das entlegene Gelände sollte sich überhaupt nur wagen, wer mit einem Allrad-Auto unterwegs ist.

Aus der Ferne betrachtet glaubt Nierenberg, die drei verschollen gegangenen Australier hätten wohl einfach "enormes Pech" gehabt. Denn auch wenn sie nur wenig Proviant dabei hatten: Sie waren mit einem Kompass und einem GPS-Gerät ausgestattet, der Stuart Highway war von der Wasserstelle, von der Phu Tran und Claire Hockridge aufbrachen, nur etwa 20 Kilometer entfernt. Auf dem Highway hätten sie "vermutlich schnell Hilfe bekommen". Aber die beiden haben es nicht dorthin geschafft.

Nach Claire Hockridge, der einzigen Vermissten aus der Freundesgruppe, wird nun aus der Luft weiter gesucht. Nachdem Phu Tran gefunden worden war, erzählte er, er habe sie zwei Tage zuvor in recht guter Verfassung an einem Zaun zurückgelassen. Er selbst sei dann den Zaun weiter entlanggelaufen, weil er glaubte, auf diese Weise größere Chancen zu haben, entdeckt zu werden. Die Suchkräfte seien "hoffnungsvoll, dass sie immer noch in dieser Verfassung ist" und gefunden werde, sagt Polizistin Pauline Vicary. Es wäre ein weiteres Wunder.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2019/mkoh
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